Rezension: So bitterkalt von Johan Theorin


Nach meinem Debakel mit „Schnitt“ von Marc Raabe habe ich kurzfristig einen anderen Thriller gebraucht. Nicht, dass ich davon einen ganzen Haufen zu Hause liegen hätte, ich musste mir „So bitterkalt“ von Johan Theorin im Kindle Store kaufen und direkt loslegen.
(„Schnitt“ ist nach euren positiven Reaktionen für mich noch nicht gestorben, aber ich lasse mir etwas Zeit mit dem zweiten Anlauf…)


„So bitterkalt“ von Johan Theorin
Piper Verlag
480 Seiten
19,99 € (Hardcover) oder 8,49 € (Kindle Edition)

In dem kleinen schwedischen Örtchen Valla liegt die psychiatrische Klinik Sankt Patricia. Dort werden psychisch kranke Schwerverbrecher unter höchster Sicherheitsstufe behandelt. Trotz der Isolation der Patienten sollen sie den Kontakt zu einem nicht verlieren: ihren Kindern. Die Kinder werden deshalb in der Kindertagesstätte „die Lichtung“ gleich neben der Klinik betreut und regelmäßig zu Treffen mit ihren kranken Eltern gebracht. Dafür ist die Kindertagesstätte mit der Klinik durch einen unterirdischen Tunnel verbunden. Jan Hauger wird als Erzieher in der Kindertagesstätte eingestellt. Schnell merkt er, dass neben den Treffen mit den Eltern der Kinder auch noch eine ganze Menge mehr zwischen Klinik und Kinderhort abläuft. Und auch Jan selbst bewahrt einige Geheimnisse vor seinen neuen Kollegen und Bekannten.
Ich muss zugeben, dass ich „So bitterkalt“ vor allem wegen der angedeuteten Story gekauft habe. Bei mir verbreitet diese Thematik rund um die düsteren Verwicklungen in und um eine psychische Klinik einen angenehmen Grusel. Ich finde die Entwicklungen der psychologischen Behandlung in den letzten hundert Jahren absolut spannend. In vielen Büchern und Filmen wird auf die wechselnden Behandlungsmethoden und Vorurteile gegenüber der Psychologie/Psychiatrie angespielt (z.B. „A beautiful mind“). Eine ähnliche Geschichte hatte ich mir hier erhofft. Ich kann vorweg sagen, dass die Handlung sich in diesem Buch primär außerhalb der Klinik bewegt und man von den Patienten so gut wie nichts erfährt, vor allem nicht über die Art ihrer Behandlung.
Trotzdem ist das Buch absolut gelungen. Warum? Weil die Atmosphäre einfach passt. Das düstere Gefühl außerhalb der absolut abgeschotteten Klinik zu stehen, die Frage „was passiert da drin?“ und die Verwicklungen zwischen der Kindertagesstätte und der Klinik waren wirklich faszinierend und realistisch dargestellt.
Dazu kommt, dass der Hauptprotagonist einerseits normal genug ist, um sich mit ihm identifizieren zu können, aber auch durch seine eigenen inneren Konflikte eine ganze Menge Spannung mitbringt. Das hat mir wirklich gut gefallen. Seine Handlungen waren außerdem (fast) immer nachvollziehbar, aber trotzdem unberechenbar genug um den Spannungsbogen der Geschichte immer weiter zu tragen.
Auch die Erzählweise der Geschichte hat mir sehr gut gefallen. Das friedliche Leben in der Kindertagesstätte, die Geheimnisse rund um die Klinik, Rückblicke in Jans Vergangenheit und einige ganz besondere „Kindergeschichten“ wechseln sich ab und machen das Buch abwechslungsreich und interessant, besonders und toll zu lesen.

Ganz perfekt ist das Buch trotzdem nicht, vor allem gegen Ende war ich vom Handlungsverlauf ein bisschen enttäuscht. Ja, in sich ist das alles logisch gewesen und hat einen unerwarteten Abschluss gefunden, aber der letzte „Wow!“-Effekt hat mir gefehlt. Außerdem waren zwei Kapitel etwas verwirrend verknüpft und lasen sich wie alternativen derselben Handlung. Das ist zwar Jammern auf sehr hohem Niveau, hat für mich aber den Unterschied gemacht, daher „nur“ 4 von 5 Leseratten von mir für „So bitterkalt“.
Trotzdem die absolute Leseempfehlung, denn „So bitterkalt“ ist ein perfektes Buch für alle, die spannungsreiche Bücher ohne großes Blutvergießen mögen. Alle die Wert auf eine besondere Atmosphäre legen und die genug haben von den „normalen“ Ermittlerkrimis können an dieser Geschichte Gefallen finden

4 Comments

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    • 2
      Alexandra.Luchs

      Es war mein erstes Buch von Johan Theorin aber womöglich nicht mein letztes :-)
      Bei Krimis muss einfach die Thematik stimmen, hier war es genau das richtige für mich.

      Wie gefällt dir das Buch bisher?

      Viele Grüße
      Alex

    • 4
      Méditerranée

      Hallo Alex, das Buch habe ich zu Ende gelesen und es war für mich kein richtiger Krimi, sondern mehr ein Thriller. Im Vergleich zu anderen Büchern von Theorin war ich ein bisschen enttäuscht. Die Rolle von „Hannah“ war irgendwie zu vorhersehbar und Jan war mir unsympathisch. Ich glaube, ich habe generell ein Problem wenn Fehler von einem Mensch mit „aber er hat eine schlimme Kindheit gehabt“ entschuldigt werden. Seine Besessenheit für Rami z.B. fand ich ein bisschen nervig. Daher scheint mir Jan nicht ganz normal zu sein. Aber was ist normal? ;-)
      Am meisten hat mich das Ende enttäuscht, wie es bei Dir auch der Fall war. Schade, ich hatte irgendwie mehr von diesem Buch erwartet weil ich alle Theorins Bücher bis jetzt ganz toll fand.
      Ich werde bald meine Leseeindrücke auf meinem Blog schreiben :-)
      LG
      M.

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