Rezension: Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar von Louise Welsh


„Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar“ ist eines dieser Bücher, dessen Titel mich sofort angesprochen und neugierig gemacht hat. Das musste ich einfach lesen.
Ich selbst wohne in Frankfurt, in einem recht großen Wohngebiet. Obwohl es hier zum Teil sehr anonym zugeht kennt man doch mit der Zeit seine Nachbarn und hat Lieblingsnachbarn (Hallo Kathi, Hallo Martin!) und welche, bei deren seltsamen Verhalten man vielleicht sogar ins Grübeln kommt. Im Buch von Louise Welsh dreht sich alles um ein Berliner Wohnhaus und seine seltsamen Mieter.

„Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar“ von Louise Welsh
288 Seiten
19,95 € (Sondereinband)

Jane zieht zu ihrer Partnerin Petra nach Berlin. Die gebürtige Schottin ist schwanger und möchte gemeinsam mit der Frau ihrer Träume in Berlin ein neues Leben anfangen. Was für Jane so verheißungsvoll begann wird bald zu einer frustrierenden Zeit. Petra ist eingespannt in ihre Arbeit, die Stadt und Sprache sind Jane fremd und sie findet kaum Anschluss. In dieser schwierigen Phase beginnt sie zu beobachten, dass ein junges Mädchen in ihrem Haus sich seltsam verhält. Jane vermutet, dass ihr Nachbar seine Tochter missbraucht. Bald beobachtet sie immer unheimlicheres Geschehen in diesem seltsamen Wohnhaus.

Mir ist bisher noch kein Buch begegnet, das sich so perfekt mit dem alltäglichen Horror und dem Grusel der Vorstellungskraft beschäftigt. Janes Beobachtungen und Gefühle werden in einer knappen und trotzdem ungemein bildreichen Sprache beschrieben. Die Situationen kommen mir nur allzu bekannt vor. Jeder kennt wohl Tage an denen er auf dem Heimweg auf einer dunklen Straße in jedem Schatten ein Monster und in jedem Geräusch die Schritte eines Unbekannten erkennt. In Louise Welshs Buch ist diese Stimmung perfekt eingefangen. Die Schilderungen scheinen fließend zwischen Realität und überhöhten Phantasien zu wechseln. Ich habe genauso an Janes Wahrnehmung gezweifelt wie die Protagonistin selbst. Später fühlt man die starke Einsamkeit, die Jane empfinden muss, als sie merkt, dass keiner ihr Glauben schenkt quasi am eigenen Leib. Fühlt sich vom düsteren Haus im Hinterhof genauso beobachtet und leidet mit der Protagonistin.
Wer Alfred Hitchcocks Film „Fenster zum Hof“ mag liegt mit „Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar“ genau richtig. Bei beiden handelt es sich um spannende „Kriminalgeschichten“ mit einem reduzierten Personenkreis und engen Handlungsgebiet, die nur durch ihre erzählerische Qualität „funktionieren“. Ich persönlich genieße diese Erzählkunst sehr und (das habt ihr sicher schon gemerkt) mag die Art von Büchern, die ohne Effekthascherei auskommen und dennoch Spannung und Horror bieten.
Ich habe wirklich lang überlegt, was mich an „Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar“ gestört hat, gefunden habe ich nichts. Ich wollte das Buch ungern beenden weil ich die Stimmung so besonders fand, es sich so flüssig lesen lies und auch die Charaktere allesamt äußerst ungewöhnlich waren. Für die Thematik hat das Buch aber wiederum die genau richtige Länge. Und wer würde schon wollen, dass eine Geschichte nur um ihrer selbst willen aufgebläht wird?
Ja, ihr ahnt es… 5 von 5 Leseratten für „Verdacht ist ein unheimlicher Nachbar“ weil es ein stilles, kraftvolles Buch ist, das mich gefesselt hat.

1 comment

Add yours

+ Leave a Comment