Buchpreis 2014: Alex‘ Shortlist


Die Longlist zum Buchpreis 2014 wurde auf Twitter ausgiebig diskutiert, Mara und Nina zum Beispiel berichteten von ihren Favoriten oder planen ein „Longlist lesen“. Kerstin brachte mich später auf die Idee, eine persönliche Shortlist zu küren. Hier ist nun also meine Auswahl, ich bin sehr gespannt auf ihre Favoriten!

In den Buchläden kann man im Moment das Lesebuch zur Longlist bekommen, dort sind kurze Leseproben zu allen 20 nominierten Titeln und einige Worte zu den Autoren enthalten. Ich habe mich in den letzten Tagen in jeder freien Minute (auf diversen Autofahrten durchs Rhein-Main-Gebiet … keine Angst, als Beifahrer) durch dieses Büchlein gelesen und nur anhand dieser kurzen Eindrücke meine Favoriten gekürt. Meine persönliche Shortlist basiert nun ausschließlich auf einem Bauchgefühl nach dem Lesen und dem „oh, davon muss ich mehr wissen“ nach der Lektüre.

Über das Ergebnis bin ich dabei selbst sehr überrascht:
  • zwei Titel deren Inhaltsangaben mich vorher sehr interessierten, waren dann doch nicht mein Fall, „Koala“ und „3000 Euro“
  • Titel, die ich gar nicht auf dem Schirm hatte, waren überraschend mitreißend und Liebe auf den ersten Blick, z.B. „Das Polykrates-Syndrom“ oder „Der Allesforscher“
  • die Shortlist müsste ich theoretisch um zwei Titel ausweiten, „Pfaueninsel“ und „Zwei Herren am Strand“ waren auch wirklich toll, konnten aber gegen die übrigen Werke für mich nicht ganz mithalten
  • nur zwei Leseproben haben mich total enttäuscht „Am Fluss“ und „Kruso“ konnte ich nichtmal beenden, gar nicht meins
  • unter den als Mitteltoll eingestuften Büchern gibt es noch ein oder zwei, die ich auch gern lesen würde, obwohl sie hinter den „ganz tollen“ zurückstehen, z.B. „Panischer Frühling“ und Kastelau“

So! Genug der Vorrede, hier ist nun meine persönliche Shortlist 2014:

„Das Polykrates-Syndrom“ von Antonio Fian (Droschl Verlag, 240 Seiten, 19,00 €)

Artur führt eine unspektakuläre, in geordneten Bahnen verlaufende Ehe mit der Mittelschullehrerin Rita, jobbt, obwohl Akademiker, in einem Kopierzentrum und als Nachhilfelehrer und ist ganz allgemein nicht sonderlich ehrgeizig oder anspruchsvoll. Bis eines Tages eine gewisse Alice den Copyshop betritt und eine Notiz hinterlässt … 

Die Leseprobe hatte sofort Charme, ein kurzer Besuch im Altenheim, keine große Spannung, wenig über den Hintergrund der Geschichte, aber Humor, Biss, ein Schreibstil der Lust auf mehr macht und Charaktere die man kennenlernen möchte. Mein erster Überraschungstreffer!

„Kleine Kassa“ von Martin Lechner (Residenz Verlag, 264 Seiten, 22,90 €)

Der Schlaueste ist Lehrling Georg Röhrs nicht. Doch er hat einen Traum: Liftboy in einem Hotel am Meer will er werden, mit seiner verschwundenen Jugendliebe Marlies den Nachtzug nehmen und aus der heimatlichen Enge fliehen. Als Georg über eine Leiche stolpert und unbeabsichtigt den Schwarzgeldkoffer seines Meisters entwendet, überstürzen sich die Ereignisse: An einem einzigen Wochenende verliert er Wohnung, Arbeit, Eltern, Freunde, Geld, Liebe und vielleicht ein Stückchen seines Verstandes – und doch steht am Ende dieser halsbrecherischen Jagd eine neue, ungeahnte Freiheit…

Ich hatte keine Ahnung, worum es in „Kleine Kassa“ gehen sollte, dachte eher an eine Mädchengeschichte und wurde dann in der Leseprobe in eine so spannende, so konfuse Szene geworfen, dass ich erstmal völlig überrumpelt war. Trotzdem haben diese vier Seiten gereicht um weiterlesen zu wollen. Nein, zu müssen!

 

„Unternehmer“ von Matthias Nawrat (Rowohlt Verlag, 144 Seiten, 16,95 €)

Matthias Nawrats Roman führt uns in den Schwarzwald, zu einem Familienunternehmen der besonderen Art. Zwischen Utzenfeld und Schönau, der Ravenna-Schlucht und der Ruinenstadt Staufen sind sie unterwegs – der Vater, die 14-jährige Lipa und der einarmige Berti, ihr kleiner Bruder – unterwegs zu den verlassenen Fabriken der ehemals boomenden Region. Sie suchen nach Magnetspulenherzen, rattrigen, summenden, um sie bei dem Mann mit den Öllappenhänden in Klimpergeld zu verwandeln. Doch die Nachfrage sinkt, und so wagen die drei einen besonders gefährlichen Beutezug, mit ungewissem Ausgang.

Zählt „Unternehmer“ schon zur Dystopie? Es fällt jedenfalls genau in meine Leidenschaft und hat nebenbei einen Erzählton angeschlagen, der mich neugierig macht. Die kurze Leseprobe hat gereicht um das Grundprinzip der Geschichte zu erkennen und ich möchte nun unbedingt wissen, wie’s weitergeht. Eine echt spannende Thematik!

„Vor dem Fest“ von Sasa Stanisic (Luchterhand Literaturverlag, 320 Seiten, 19,99 €)

Es ist die Nacht vor dem Fest im uckermärkischen Fürstenfelde. Das Dorf schläft. Bis auf den Fährmann – der ist tot. Und Frau Kranz, die nachtblinde Malerin, die ihr Dorf zum ersten Mal bei Nacht festhalten will. Ein Glöckner und sein Lehrling wollen die Glocken läuten, das Problem ist bloß: die Glocken sind weg. Eine Füchsin sucht nach Eiern für ihre Jungen, und Herr Schramm, ein ehemaliger Oberst der NVA, kann sich nicht entscheiden, ob er Zigaretten holen soll oder sich in den Kopf schießen. Alle haben sie eine Mission. Alle wollen sie etwas zu Ende bringen, bevor die Nacht vorüber ist.

Ich weiß nicht warum, aber irgendwie hatte ich vor „Vor dem Fest“ ein bisschen Bedenken, habe einen Roman befürchtet der rein intellektuell und dabei (trotz interessanter Thematik) irgendwie trocken wirken könnte. Es haben einige Zeilen gereicht um das zu widerlegen, die Leseprobe beginnt mit dem Tod des Fährmanns und die Überlegungen dazu und drumherum wirkten witzig und dabei auch ein bisschen philosophisch, auf jeden Fall sympathisch. Das Buch möchte weitergelesen werden!

 

„Der Allesforscher“ von Heinrich Steinfest“ (Piper Verlag, 400 Seiten, 19,99 €)

Sixten Brauns vollkommen normales Managerleben implodiert, als in Taiwan ein Wal explodiert und Sixten von irgendeinem Teil des Wal-Innenlebens k.o. geschlagen wird. Kaum aus dem Krankenhaus entlassen, stürzt er mit dem nächstbesten Flugzeug ab – und überlebt abermals. Doch nicht ohne zwischendurch die große Liebe erlebt zu haben. Und so kommt er Jahre später – Sixten hat sich längst vom Manager zum Bademeister gewandelt – zu einem Kind, das auf gar keinen Fall sein eigenes sein kann, es dann aber plötzlich doch ist: ein frisch verwaister Junge namens Simon, der nicht spricht, außer in seiner eigenen, nur ihm selbst verständlichen Sprache.

Mein absoluter Favorit bisher ist „Der Allesforscher“ von Heinrich Steinfest, der Anfang ist so fantastisch und fast schon filmisch, dass ich völlig gebannt gelesen habe und etwas verdattert war, als die wenigen Seiten vorbei waren. Der absurde und dadurch für mich zusätzlich völlig perfekte Teil der Geschichte hatte noch nicht begonnen als ich schon verliebt war.

„Der aufblasbare Kaiser“ von Michael Ziegelwagner (Rowohlt Berlin Verlag, 256 Seiten, 19,95 €)

An einem regnerischen Wiener Frühlingstag des Jahres 2011 drückt Vera Beacher, genannt Beachy, halb versehentlich auf ein obskures Klingelschild – und gerät in eine monarchistische Geheimloge. Das kommt der jungen Frau gerade recht, denn der «Legitimistische Club», der gern den greisen Otto von Habsburg als Kaiser inthronisieren würde, lenkt sie von diversen Sorgen und einer überhaupt vollumfänglichen Da­seinsunsicherheit ab – einem möglicherweise gebrochenen Knöchel, der atmosphärisch unguten Kon­stellation im Büro, einem bevorstehenden Junggesellinnenabschied und ihrem etwas kühlen Liebhaber Robert. Vera findet Gefallen an den eigensinnigen Legi­timisten und ihrem festen Weltbild, nicht zuletzt auch am feschen jungen Herrn Blawicz. Bald gerät sie immer tiefer in den Kreis.

Okay, ich geb’s zu: dieses Buch landet auf meiner persönlichen Shortlist, weil es meinen makaberen Humor teilt. Deswegen die Anmerkung zu Beginn, dass es hier auch um Bauchgefühl geht. Und „Der aufblasbare Kaiser“ hatte bei der Szene gewonnen in der Vera überlegt ob ein gebrochenes Bein und ein Rollstuhl jetzt nicht genau das richtige wäre um dem Alltag zu entkommen. Politisch vielleicht nicht ganz korrekt aber so direkt und herrlich komisch.

Jetzt, mit meiner persönlichen Shortlist vor Augen, juckt es mich schon in den Fingern mit dem ersten dieser Bücher zu beginnen. Vielleicht wäre auch ein „Shortlist lesen“ ganz lustig, natürlich nur mit meiner eigenen Shortlist und nicht mit der offiziellen, die vermutlich deutlich wissenschaftlicher gekürt wird als meine, von spontaner Begeisterung getriebene, Auswahl!

Was meint ihr, welcher Titel von dieser Liste wäre euer Favorit?

5 Comments

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  1. 1
    Mara

    Ich finde die Idee Klasse, sich eine eigene Shortlist zusammenzustellen! :-) Von deiner Liste habe ich bisher den Unternehmer und Vor dem Fest gelesen, beide fand ich großartig – sie würden wohl auch auf meiner Shortlist stehen!

  2. 2
    Nina

    Ich kann mich Mara nur anschließen, eine eigene Shortlist zu erstellen ist eine fabelhafte Idee! Ein bisschen schade finde ich, dass Du mit Koala so gar nichts anfangen konntest, wobei ich auch relativ viel Zeit gebraucht habe, um in die Geschichte zu finden. Ich kann Dich also gut verstehen! :-)
    Beim Allesforscher ging es mir wie Dir. Jetzt bin ich umso gespannter, was Du abschließend zum Buch sagst.
    Ich habe inzwischen 5 Bücher von der Longlist gelesen und bin überrascht, wie sehr mir die Auswahl in diesem Jahr gefällt.
    Ganz viel Spaß mit all der Lektüre!

  3. 3
    Petzi

    Eine sehr gute Idee, die ich dir gerne nachmachen würde, aber dieses Leseprobenheft gibt es hier irgendwie in keiner Buchhandlung. Also muss ich mich wohl selbst durch die Leseproben der Verlage wühlen und danach entscheiden. Bei „Koala“ und „3000 Euro“ bin ich sehr überrascht und sollte mir wohl auch mal die Leseproben anschauen. „Kleine Kassa“ wird demnächst gelesen und ich freu mich schon sehr darauf. :-)

    Ganz liebe Grüße
    Petzi

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