Rezension: Dieses Leben, das wir haben von Lionel Shriver


Die Geschichte von „Dieses Leben, das wir haben“ schien sehr ähnlich zu „Glückliche Ehe“ zu sein. Beide Bücher berichten von einem Paar, dessen gemeinsame Zeit durch eine tödliche Krebserkrankung tragisch beendet wird. Es gibt zwar einige parallelen der beiden Bücher, die Stimmung aber ist eine ganz andere und trotzdem mindestens genauso faszinierend!

dieses_leben„Dieses Leben, das wir haben“ von Lionel Shriver
Piper Verlag
544 Seiten
8,99 € (ebook)

Sheperd hat sein gesamtes Arbeitsleben auf seinen großen Ausstieg hingearbeitet. Er möchte mit seinen Ersparnissen in ein Land mit niedrigen Lebenshaltungskosten ziehen, in den Tag hinein leben und nur noch tun, was er liebt. Endlich scheint er seinen Traum verwirklichen zu können und stellt seine Frau Glynis vor die Wahl mit ihm zu kommen. Jahrelange haben Sie diesen Ausstieg gemeinsam vorbereitet, Länder bereist die in Frage kämen und sich ein neues zu Hause gesucht. Doch jetzt spürt er Glynis Vorbehalte. Als Sheperd erfährt, warum Glynis so zögerlich ist, stellt sich sein Leben auf den Kopf.

Nachdem ich „Großer Bruder“ beendet hatte, war ich so verliebt in Lionel Shrivers Schreibstil, ihre Themen und Figuren, dass alle nachfolgenden Bücher recht blass wirkten. Ich hab‘ es dann einfach gewagt und „Dieses Leben, das wir haben“ direkt im Anschluss gelesen. Zwei Bücher vom selben Autor, im selben Genre… eigentlich kann das nicht gut gehen. Meist kann das nächste Buch den großen Erwartungen nicht standhalten. Entgegen dieser Gefahr hat mich „Dieses Leben, das wir haben“ mindestens genauso mitgenommen und bewegt wie „Großer Bruder“.
Absolute Stärke des Buches sind die Charaktere. Sheperd und Glynis wirken so echt, dass man das Gefühl hat diese Geschichte müsse tatsächlich genau so passiert sein. Aber auch Carol und Jackson, die Freunde des Paares, die eigentlich nur eine Nebenrolle spielen, tragen unglaublich gut zum großen Ganzen der Geschichte bei. Alle Figuren scheinen irgendwie angeschlagen und jeder kämpft mit diesem, seinem Leben. Das macht das Buch in einigen Teilen wirklich traurig und tragisch, aber auch kämpferisch optimistisch.
Von Buch zu Buch versuche ich zu ergründen, was den Schreibstil von Lionel Shriver so besonders macht. Die Bücher sind derart flüssig und spannend geschrieben, dass man sie nicht loslassen kann, tragen aber eben immer wieder diese Gedanken und Sätze in sich, die zum innehalten und nachdenken anregen. Diese Mischung ist mir bisher so noch nicht begegnet und macht jede Seite zu einem echten Schatz. Gerade bei einem so schweren und tragischen Thema wie der Krebserkrankung von Glynis könnte zu viel Pathos alles kaputt machen, zu wenig Hintergrund würde flach wirken. In diesem Buch stimmt die Balance genau und man hat quasi gar keine Wahl, als weiter zu lesen.
Die meiste Spannung im Buch entsteht durch die vielschichtigen Beziehungen der Figuren untereinander. Die Situation, die zwischen Sheperd und Glynis durch die Krankheit entsteht, ist ganz anders als in anderen Geschichten. Weder ist Sheperd der selbstlose Held, noch Glynis die dankbare Kranke. Sheperd kümmert sich um seine Frau, die Geschichte lässt aber auch Raum für seine Wünsche und widerstreitenden Gefühle. Natürlich ist Glynis dankbar, für Sheperds Zuwendung, bleibt aber auch ihm und ihrer Krankheit gegenüber widerspenstig und launisch.

Vielleicht wird es langsam langweilig, aber auch an diesem Buch stimmt einfach alles, ich kann und möchte nichts meckern. Im Gegenteil, je länger ich darüber schreibe desto mehr Lust bekomme ich, es gleich nochmal zu lesen! Deswegen gibt es auch hier 5 von 5 überzeugten Leseratten.

Das Buch in einem Tweet: „Dieses Leben, das wir haben“ bietet vielschichtige Charaktere, Konflikte, Tragik. Ein echter Schatz!

3 Comments

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  1. 2
    Alexandra

    Definitiv! Ich habe mit „Wir müssen über Kevin“ reden angefangen, bin aber erst seit „Großer Bruder“ so richtig süchtig nach der Autorin! Sie hat wirklich eine ganz besondere Art, ihre Themen zu behandeln.

    Viele liebe Grüße
    Alexandra

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