Rezension: Was nützt mir die Revolution, wenn ich nicht tanzen kann von Ece Temelkuran


Dieses Buch war wirklich Arbeit für mich. Ich habe „Was nützt mir die Revolution, wenn ich nicht tanzen kann“ das erste Mal eher nebenbei begonnen und bin sang- und klanglos gescheitert. Das ist keine Geschichte für zwischendurch, keine Geschichte die man „schnell mal lesen“ kann. Ich habe dann noch einmal neu begonnen, mir Zeit gelassen, die Geschichte ganz bedächtig genossen und bin dafür wirklich entlohnt worden.

Was nützt mir die Revolution, wenn ich nicht tanzen kann„Was nützt mir die Revolution, wenn ich nicht tanzen kann“ von Ece Temelkuran
Atlantik Verlag
400 Seiten
22,00 € (Hardcover)

Die tunesische Tänzerin Amira, die ägyptische Wissenschaftlerin Maryam, Madam Lilla eine gealterte Femme fatale befinden sich gemeinsam mit unserer türkischen ich-Erzählerin auf einem Road Trip durch den arabischen Frühling. Die vier Frauen werden in einem Hotel in Tunis angespült und finden schnell eine enge Verbindung zueinander.  Hals über Kopf werden die jungen Frauen von Madam Lilla an der Hand genommen und auf die Reise ihres Lebens geführt. Dort finden sie Antworten auf die drängende Frage nach der eigenen Zukunft, die alle drei so schwer belastete. Mit jeder Reiseetappe wirken die Frauen gestärkt und befreit.

Ich hatte vorher ein bisschen die Hoffnung, mehr über den arabischen Frühling zu erfahren, nähere Eindrücke zu bekommen als es in den Nachrichten immer der Fall war. Das hat sich so nur zum Teil erfüllt. Zwar bekommt man einen sehr direkten Eindruck von der Stimmung in den Ländern der Revolution, die Hintergründe werden aber als bekannt vorausgesetzt. Nur da wo es absolut nötig ist, wird Bezug genommen auf die Abfolge der Ereignisse. Das ist aber eigentlich auch völlig in Ordnung so. Denn eigentlich ist die Geschichte von Amira, Maryam und unserer  Erzählerin auch eine ganz Allgemeingültige. Natürlich sind ihre konkreten Lebenssituationen stark geprägt durch den arabischen Frühling, die Lage der Frauen, die nach einer Orientierung in ihrem Leben streben, ist aber nichts was nur dort zu finden ist.
Mir ist es zu Anfang sehr schwer gefallen das zu Erkennen und zu Verstehen, wie sich die Handlung zusammensetzt. Das liegt daran, dass trotz der wunderschönen poetischen Sprache die Erzählart des Buches einfach unglaublich anstrengend ist. Zu Beginn jedes Kapitels bekommen wir eine kleine zusammenhanglose Szene geboten, dann ein Schnitt und anschließend die Ereignisse, die zu dieser Szene führten. Im nächsten Kapitel gibt es dann wieder einen Sprung in die Zukunft und erst im Anschluss die Handlung bis dahin. Ich war offen gestanden wirklich genervt von dieser Erzählart, habe manchmal den Faden und die Orientierung in der Geschichte verloren. Als dann kurz vor Ende gerade dieser Erzählrhythmus als Metapher zur Handlung und den Personen erklärt wurde, war ich kurz sprachlos. Ich weiß immer noch nicht, wie ich das finden soll! Natürlich ist es ein ziemlicher Geniestreich, aber die Gefahr, dass mancher Leser den Elan und die Ausdauer vorher schon verliert ist groß.
Obwohl ich durch die Erzählart des Buches sehr lang skeptisch war, konnte ich es nicht beiseitelegen. Habe gut die Hälfte des Buches sogar zwei Mal gelesen um endlich richtig “rein” zu kommen. Das liegt vor allem an der wunderschönen Sprache und der tollen Atmosphäre. Ich habe eigentlich kaum einen Bezug zum Orient, fühle mich in dieser Art von Geschichten mittlerweile aber sehr heimisch. „Was nützt mir die Revolution, wenn ich nicht tanzen kann“ ist da noch einmal ganz besonders, da das orientalische Flair und die modernen, glaubwürdigen Protagonisten eine wunderbare Kombination abgeben.
 
Manche Abschnitte der Handlung haben mich gerade in Anbetracht der aktuellen Geschehnisse in Frankreich sehr bewegt. Das Problem der jungen, radikalisierten Männer die meinen im Namen des Glaubens morden zu müssen, war auch Teil dieser Geschichte und bleibt aktuell wie nie.

Ich weiß nach wie vor nicht, wie ich dieses Buch bewerten kann und lasse es daher ohne Bewertung stehen, hoffe aber eindringlich, dass sich viele Leser eine eigene Meinung bilden möchten! Es bietet sehr viel Stoff zum Nachdenken und ist wirklich Arbeit. Es versöhnt dafür aber mit einer Geschichte, die wunderschöne Bilder zeichnet. Zum Teil hatte ich aber das Gefühl, das Buch sträubte sich davor gelesen zu werden und schenkte mir dann doch unheimlich viel dafür es nicht aufgegeben zu haben.

Das Buch in einem Tweet: „Was nützt mir die Revolution, wenn ich nicht tanzen kann“ gibt seine Schätze vielleicht nicht jedem einfach heraus, Ausdauer lohnt sich!

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