Rezension: Wir haben Raketen geangelt von Karen Köhler


Karen Köhlers Geschichte „Il Comandante“ sollte beim Ingeborg Bachmann Preis 2014 gelesen werden. Karen Köhler kamen dann zwar die Windpocken dazwischen, mich hat sie auch ganz ohne Lesung erreicht. Nachdem ich diese Geschichte gelesen hatte, wollte ich nämlich unbedingt auch die übrigen acht aus „Wir haben Raketen geangelt“ entdecken.

Wir haben Raketen geangelt„Wir haben Raketen geangelt“ von Karen Köhler
Hanser Verlag
240 Seiten
19,90 € (Hardcover)

Die Geschichten in „Wir haben Raketen geangelt“ auf einen Nenner zu bringen, ist gar nicht so einfach. Es geht um Aufbruch und Ankunft, manchmal Abschiede aber auch neues Kennenlernen. Die Geschichten tragen eine gewisse Traurigkeit in sich, aber auch ein ganz heimeliges Gefühl von zu Hause und Geborgenheit.
Da ist die Geschichte von „Il Comandante“, die mich zuerst für dieses Buch begeisterte. Alles beginnt mit einer Szene, die auf den ersten Blick völlig seltsam wirkt. Wie sich dann durch die Handlung eben genau diese Szene erklärt und sich der Kreis schließt, hat mir wunderbar gefallen. Der Comandante schafft es, einer jungen und schwerkranken Frau neuen Lebensmut einzuhauchen. Genau diese Stimmung verbreitet auch die Geschichte. Schwere und Traurigkeit aber eben auch Hoffnung.
Spannend ist auch „Familienportraits“ das in verschiedenen kurzen Absätzen verschiedene Familienkonstellationen und damit eigentlich ganze Romane enthält. Es sind Bilder die in keinem Familienalbum auftauchen würden und trotzdem sehr viel von Familien und Liebe erzählen.
Eine meiner liebsten Geschichten neben „Il Comandante“ ist aber „Polarkreis“. Da erfahren wir nur über Postkarten und Notizen etwas über die Reise von Polar. Sein Weg beginnt mit „Bin Zigaretten holen“ und das was eigentlich das Ende einer Beziehung einleitet, startet hier nur eine neue Entwicklung. Der Aufbau dieser Geschichte ist unglaublich fesselnd: ohne nähere Informationen über Polar oder die Empfängerin seiner Briefe (ohne Antworten!), ohne viele Informationen über seine Reise spürt man doch eine echte Entwicklung und Liebe in dieser Geschichte.
Das sind nur drei Beispiele und sie können noch nicht annähernd die erzählerische Bandbreite dieses Buches beschreiben. Karen Köhler startet im wahrsten Sinne des Wortes Raketen. Das ganze Buch ist ein Feuerwerk an Kreativität und Inspiration. Jede Geschichte für sich so anders als die vorhergehende und von Aufbau und Stil wieder völlig neu!
Trotzdem hatte ich am Ende des Buches das Gefühl, dass die Geschichten alle fein verwoben zusammenhängen. Manchmal recht offen und direkt, manchmal nur durch einzelne Bilder und Symbole, wie zum Beispiel ein geklauter Rucksack. Dieses Gefühl hat sich so diffus verbreitet, dass ich manchmal meinte mich getäuscht zu haben, häufig nicht klar ausmachen konnte, was genau mir hier bekannt vorkommt. Eigentlich müsste ich das gesamte Buch dafür noch mindestens einmal lesen. Da alle Texte so kurzweilig und wunderschön geschrieben sind, kann ich mir das auch sehr gut vorstellen.
Obwohl ich kein ausgesprochener Fan von Kurzgeschichten bin, hat mich „Wir haben Raketen geangelt“ glücklich gemacht. Anders kann ich es nicht beschreiben. Das Buch hat mich traurig berührt und trotzdem zufrieden zurückgelassen. Glücklich das erlebt zu haben. Das lässt nur einen Schluss zu: 5 von 5 Leseratten.

Das Buch in einem Tweet: “Wir haben Raketen geangelt” zündet ein Feuerwerk von Geschichten, die mich besonders beeindruckt und glücklich zurückgelassen haben.

Mehr dazu:
Eine wunderschöne Besprechung zu diesem Buch hat auch Mara gepostet. Bei ihr finden sich wunderbare Zitate und noch mehr Details zu verschiedenen Geschichten.
Auch bei der Klappentexterin habe ich eine wunderbare Rezension zum Buch entdeckt, die das Thema der Geschichten wunderschön auf einen Nenner bringt.

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