Angelesen: Weit Gegangen von Dave Eggers


Es ist ein Thema, das ganz Deutschland im Moment bewegt und leider auch mancherorts spaltet. Die aktuelle Flüchtlingssituation beschäftigt unser Land. Doch statt Hilfsbereitschaft und Mitgefühl schlägt Flüchtlingen zum Teil Hass und Misstrauen entgegen. Ich kann mir kaum ausmalen, wie es sein muss, seine Heimat zurückzulassen, um sein Leben zu retten. Wie muss es dann sein, so empfangen zu werden?
Ich weiß nicht, ob Bücher wirklich etwas ändern können, aber als ich gestern über “Weit gegangen” von Dave Eggers gestolpert bin, war ich sofort völlig aufgeschüttelt.

Weit_gegangen“Weit Gegangen” von Dave Eggers
Kiepenheuer & Witsch
768 Seiten
10,99 € (ebook)

“Weit gegangen” erzählt die wahre Lebensgeschichte von Valentino Achak Deng. Gemeinsam mit Dave Eggers hat er die Geschichte seiner Flucht, seinen Kampf ums Überleben in Worte gefasst. Mit sieben Jahren flieht Valentino aus dem Sudan. Der Bürgerkrieg tobt und Valentino muss seine Heimat, seine Familie und Freunde zurücklassen, um sein Leben zu retten. Viele derer, die mit ihm flüchten, sieht er unterwegs sterben. Er selbst wird vom Militär verfolgt, vom Hunger bedroht. Entkommt nur knapp dem Tod. Über dreizehn Jahre ist er unterwegs, durch Äthopien, die Flüchtlingslager von Kenia bis schließlich zu seiner Ausreise in die USA. Doch auch das Ziel seiner Reise bietet bittere Probleme.

Schon der Titel des Buches hat mich trotz seiner Schlichtheit und Sachlichkeit bewegt. Zwei Worte, die all das beinhalten, was Valentino auf seiner weiten Reise erlebt und durchlitten hat. Zwei Worte die all dem nicht annähernd gerecht werden und doch so viel in sich bergen.

Das Buch startet (für mich unerwartet) am Ziel der Reise. Valentino ist in Amerika angekommen, lebt in Freiheit und vermeintlicher Sicherheit. Doch wie er mitten aus dem Leben in seiner Heimat an den Rand der Gesellschaft eines völlig fremden Landes katapultiert wird, geht nicht spurlos an ihm vorüber. Schon in den ersten Seiten mochte ich die Erzählweise dieses Buches. Dave Eggers schafft es wunderbar Valentino eine ganz eigene, sachliche und doch direkte, gefühlvolle Stimme zu verleihen. Nie fand ich außerdem die Perspektive einer Geschichte wichtiger und idealer gewählt: aus der ich-Perspektive schildert Valentino seine Erlebnisse und teilt auch harte Wahrheiten und bittere Gedanken mit dem Leser.

“Damals war ich ein Junge und konnte leicht vergessen, dass ich ein unterernährter Flüchtling und tausend Meilen weit weg von Zuhause war. Wie auch immer, wenn das hier die Strafe dafür ist, dass ich so hochmütig war, Afrika verlassen zu wollen und von einem Studium und Wohlstand in Amerika zu träumen, dann bin ich jetzt geläutert, und ich bitte um Verzeihung.”

Ich habe bisher viel zu wenig von diesem Buch gelesen, um zu sagen, ob es helfen würde. Ob man es nicht nur verteilen, verschenken und weitergeben muss, um endlich offene Köpfe und Herzen zu schaffen. Ich wünsche es mir.
Das Buch ist vor zwei Jahren erschienen, passt aber aktuell (für mich) so perfekt in die Zeit, dass dieses Buch nicht zu schnell in den Regalen verschwinden sollte. Ich glaube das würde sich auch Valentino wünschen.

“Selbst in meinen dunkelsten Stunden habe ich daran geglaubt, dass ich meine Erfahrungen eines Tages einem größeren Publikum vermitteln könnte, um zu verhindern, dass sich die Schrecknisse der Geschichte wiederholen. (…) Ich danke Ihnen, dass Sie dieses Buch lesen, und ich wünsche Ihnen alles Gute.”

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