Rezension: 180 Grad Meer von Sarah Kuttner


Es laufen einem nicht oft Bücher über den Weg, die man am Stück lesen kann und möchte. Mit „180 Grad Meer“ ist mir genau das passiert. Ich wollte „nur mal eben reinschauen“ und konnte erst aufhören, als „die letzten Seiten noch“ gelesen waren.

Das Buch erscheint am 31.12. und ist damit eine perfekte Investitionsmöglichkeit für die weihnachtlichen Buchgutscheine.

180_Grad_Meer„180 Grad Meer“ von Sarah Kuttner
S. Fischer Verlag
272 Seiten
18,99 € (Hardcover)

Auf Familienfotos sind nur die schönen Momente zu sehen, all die unangenehmen oder verwirrenden Situationen eines Lebens werden dort nicht abgebildet. So ähnlich ist es auch in Büchern: Liebe wird dort meist bedingungslos und groß dargestellt, die Protagonisten sind empfindsam und stark.

In „180 Grad Meer“ wird diese Routine durchbrochen. Das Gefühlsleben der Protagonistin Jule ist bedrückend, ihre Gedanken nicht immer nachvollziehbar und gerade deshalb so echt. In einer recht kaputten Familie groß geworden, hat die junge Frau einerseits eine starke Persönlichkeit entwickelt, ist andererseits verletzlich, zum Teil kindisch nachtragend und von ihren eigenen Gefühlen überfordert. Vor allem von ihrer eigenen Wut.
Die Handlung des Buches ist dabei eigentlich unspektakulär: von der depressiven Mutter und der eigenen bröckelnden Beziehung überfordert, reist Jule zu ihrem Bruder nach London. In seiner chaotischen aber unpersönlichen und ruhigen WG möchte sie zur Ruhe kommen, stolpert dabei über einen gestörten Köter und später über den eigenen (todkranken) Vater.
So wird aus Jules Reise eine Geschichte übers „erwachsen werden“ und „zu sich selbst finden“, die sehr berührend und angenehm authentisch ist. Rührende Hollywood-Versöhnungsszenerien sind hier ebenso wenig zu finden, wie „Eat, Pray, Love“-artige Ratgebersätze. Und trotzdem hatte ich das Gefühl, dass mich diese Geschichte ganz direkt anspricht, auch eigene Gedankengänge und Erkenntnisse widerspiegelt.
Getragen wird diese interessante Mischung durch einen tollen Schreibstil. Wer Sarah Kuttner aus den diversen Fernsehformaten kennt, weiß dass sie nicht auf den Mund gefallen ist. Ihr schöner Wortwitz und das tolle, moderne Sprachgefühl finden sich auch in diesem Buch ganz eindeutig wieder. Aber „180 Grad Meer“ ist trotzdem kein in erster Linie humorvolles Buch, wirkt zum Teil wirklich bedrückend und dann schlussendlich so reinigend wie der Anblick eines grauen, stürmischen Meeres.

Für mich war „180 Grad Meer“ ein Erlebnis und klingt noch lange nach. Ein Buch dessen Protagonistin sich mir direkt ins Herz geschlichen hat, da sie so kaputt und ehrlich auch ihre düsteren Gedanken teilt und so dem Leser das Gefühl gibt „du bist nicht allein“. Nichts zu meckern, 5 von 5 Leseratten!

Das Buch in einem Tweet: „180 Grad Meer“ birgt Weite und Freiheit, aber auch stürmische Zeiten, widerstreitende Gefühle und schöne Entwicklungen. Und einen kaputten Hund.

3 Comments

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  1. 1
    Melissa

    Nachdem ich Wachstumsschmerz gelesen habe und der Roman mich sehr berührt hat, habe ich ungeduldig auf den neuen Roman von Sarah Kuttner gewartet. Deshalb folge ich ihr auch auf Twitter. Die Rezension bestärkt mich nun darin, möglichst schnell das neue Buch zu kaufen. Es klingt toll!
    Liebe Grüße
    Melissa

  2. 3
    Lotta

    Guten Morgen liebe Alexandra,
    ich habe das Buch vor kurzem als Hörbuch über Spotify gehört und war sofort hin und weg. Jule ist genau mein Geschmack. Sie hat den richtigen Grad an kaputt und seltsam und hat mich sofort erobert. Immer wieder habe, ich beim Hören gedacht: „Ja! JA! Genau so.“ Und habe mich dort einfach wohlgefühlt. Ich glaube, dass ich mich nicht zu weit aus dem Fenster lehne, wenn ich sage, dass das mein Jahreshighlight 2017 wird. Unglaublich.
    Vor allem, da Frau Kuttner das Buch selbst liest, ist es ein wirklich einmalig guter Genuss.

    Ich bin froh, dass ich hier auf eine Mitmögende gestoßen bin. :D

    Liebst, Lotta

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