Rezension: Rosaleens Fest von Anne Enright


Weihnachten ist die Zeit der Familie. Dass das nicht immer nur friedlich und fröhlich, sondern zum Teil auch wirklich anstrengend sein kann, ist wohl nicht ungewöhnlich. In „Rosaleens Fest“ erleben wir das Weihnachtsfest mit einer ganz besonderen und zum Teil doch irgendwie normalen Familie.

Rosaleens_Fest„Rosaleens Fest“ von Anne Enright
DVA Verlag
384 Seiten
19,99 € (Hardcover)

Rosaleen ist Mitte siebzig und lebt mittlerweile allein im großen Familienanwesen. Die vier Kinder sind längst erwachsen, ausgezogen und leben ihre eigenen Leben. Zu Weihnachten jedoch erwartet die Mutter eine vollständige Familie und ein perfektes Fest. Constance, die Älteste, schuftet für ein festliches Weihnachtsessen, Hanna, die Künstlerin der Familie, versucht nüchtern zu wirken und die Brüder Dan und Emmett tragen zumindest ihre Anwesenheit bei. Doch statt eines besinnlichen Familienabends endet es, wie noch jedes Weihnachtsfest geendet hat.

Der erste Teil des Romans ist wie eine Sammlung von Kurzgeschichten zu lesen. In einzelnen Kapiteln werden die Familienmitglieder vorgestellt und jeweils ganz individuelle Situationen umschrieben. So lernen wir die Charaktere und ihre Eigenarten direkt kennen, erfahren einiges über ihre Wünsche und Ziele und ihre Position innerhalb der Familie.
Erst im zweiten Teil des Buches kommen alle beim eigentlichen Weihnachtsfest zusammen. Die verschiedensten Konflikte und unerfüllten Wünsche treten zutage und die Geschichte bekommt eine spannende Dynamik.

Grundthemen des Buches sind für mich Nähe und das Reifen. Alle Kinder Rosaleens sind längst Erwachsen, müssen sich aber dennoch neben der Mutter behaupten, fühlen sich ihr gegenüber gezwungen. Auch Rosaleen beweist, dass nicht Alter allein klug macht, zeigt Schwächen und stößt ihre Familie von sich weg. So schwanken alle zwischen Distanz und Liebe. Zwar sind die Figuren zum Teil extrem, die Situationen sind auf jeden Fall authentisch umschrieben.

„Rosaleens Fest“ war für mich eine wirklich beeindruckende Lektüre. Die Charaktere sind sehr authentisch und (wie im Falle von Rosaleen) ehrlich umschrieben, nicht jeder ist wirklich ein Sympathieträger aber wie es in Familien eben so ist, nimmt man sie alle wie sie sind.
Außerdem hat mich der sprachgewaltige Stil der Geschichte fasziniert. Einfachste Situationen werden beeindruckend beschrieben. Detailliert aber nicht überfrachtet und mit einer Menge Bedeutung hinter den einfachsten Szenen.
Einziger Wermutstropfen sind einige für meinen Geschmack zu weite Abschweifungen. So werden einzelne Spannungen angedeutet aber nicht wieder aufgegriffen. Hannas Alkoholkonsum zum Beispiel wird als Problem thematisiert, dann aber weitestgehend ignoriert. Einige Themen aus dem ersten Teil des Buches wurden im zweiten Abschnitt toll aufgegriffen und verbunden, doch einige lose Fäden hinterließen bei mir das Gefühl, dass da „was fehlt“.

Unterm Strich vergebe ich überzeugte 4 von 5 Leseratten. Kein ganz perfektes Buch aber eine spannende Lektüre die Spannung zwischen individueller Entwicklung und der Erwartung innerhalb von Familien.

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