Rezension: Vincent von Joey Goebel


Im Rahmen des #jdtb16 habe ich (etwas ratlos über den passenden Start) via Twitter direkt den Verlag um Rat gefragt: “Was muss ich unbedingt lesen, wenn ich genau ein Taschenbuch von euch lesen darf?” Sehr spontan und ziemlich sicher kam “Vincent” als Antwort. Tatsächlich war dies für mich ein sehr wertvoller Tipp. Ich habe mich in das Buch spontan verliebt und möchte es jetzt unbedingt jedem Leser empfehlen!

978-3-257-23647-7“Vincent” von Joey Goebel
Diogenes Verlag
448 Seiten
11,90 € (Taschenbuch)

Joey Goebels Roman „Vincent“ basiert auf dem Gedanken, dass echte Kunst nur aus Leid und Verzweiflung entstehen kann. Da die Unterhaltungsindustrie auf ihren Tiefpunkt zusteuert, gründet der Mäzen des größten Medienunternehmens eine Unternehmung, die auf Basis dieser Idee endlich Abhilfe schaffen soll. Das Projekt New Renaissance. Dafür werden talentierte Kinder angeworben, in der eigenen Schule unterrichtet und gequält um ihre Kreativität zu „fördern“. Die vielversprechendste Hoffnung des Unternehmens ruht auf Vincent. In schwierigen Verhältnissen geboren, kränklich und zurückhaltend ist er der ideale Kandidat für die Pläne von New Renaissance.
Sein Manager ist damit beauftragt, das Leben des Jungen ausreichend trostlos und beschwerlich zu gestalten, damit seine Schaffenskraft nicht versiegt. Das Kind liebt sein Hündchen? Ein wenig Rattengift und schon findet Vincent Inspiration darin, seine Trauer zu Verarbeiten.
So entwickelt sich im Buch ein immer finsterer Sog, eine immer deprimierendere Spirale der seelischen Grausamkeit um Vincent. Als Leser folgt man dem fassungslos und besorgt, aber eben auch fasziniert, denn die Pläne von New Renaissance scheinen aufzugehen…
Die Geschichte wird aus der Perspektive von Vincents Manager erzählt und behält daher genau die richtige Distanz. Wir können nie hinter die Fassade des Künstlers schauen, erfahren nicht was sich in seinem gequälten Inneren abspielt.
Mit kühlem Blick wird in diesem Roman außerdem unsere Medienlandschaft nahezu seziert. Immer wieder wird dem Leser vor Augen gehalten wie wenig Qualität in Film, Fernsehen und Musik zu finden ist. Die industrielle Massenware, nicht nur in der Lebensmittelindustrie, wird als ein immer faderes Produkt entlarvt.
Das Buch selbst ist zum Glück ganz und gar nicht fad, sondern mitreißend und wunderbar geschrieben. Der Erzählstil ist flott und modern, trotzdem detailliert und atmosphärisch.
Toll gelungen sind die Entwicklungen im Roman, die Spannung ist gerade gegen Ende kaum auszuhalten, da die Charaktere in unterschiedlichste Richtungen streben und so der große Knall unvermeidbar scheint.
Außerdem wartet das Buch es mit vielen tollen Details auf: die Kapitel tragen die Namen von Frauen aus Vincents Leben (verschmähte Liebe!) und jede Figur wird mit liebster Fernsehserie, Band und Film vorgestellt, schließlich dreht sich alles um Medien.

Unterm Strich habe ich nichts zu meckern und vergebe begeisterte 5 von 5 Leseratten.

Das Buch in einem Tweet: „Vincent“ von @GoebelJoey zeigt das Motiv des leidenden Künstlers auf eine spannende Art und Weise, völlig verrückt. Unbedingt lesen!

6 Comments

Add yours
  1. 1
    Anna

    Wow, das klingt echt nach einem spannenden Buch! Ich muss sagen, als ich den Titel und das Cover sah dachte ich erstmal an ein etwas „langweiligeres“ Buch, aber da du gleich zu Beginn schriebst, dass du dich spontan verliebt hast, musste ich doch ein wenig mehr erfahren. Zum Glück!
    Liebe Grüße
    Anna

    • 2
      Alexandra

      Hallo Anna,

      aus meiner Sicht hast du ganz Recht damit, dass der Titel etwas nichtssagend bzw. vielleicht „langweilig“ klingt. Ich glaube da wurde der deutsche Titel nicht so optimal gewählt. Im Englischen heißt das Buch „Torture the Artist“ und ist damit deutlich sprechender (und irgendwie hypnotisch, wie ich finde) betitelt.
      Ich bin gespannt ob du das Buch lesen & mögen wirst, bin aber ganz zuversichtlich. Die absichtliche seelische Grausamkeit ist sehr heftig und etwas ganz anderes als man es in vielen Büchern sonst liest.

      Liebe Grüße
      Alexandra

+ Leave a Comment