Rezension: Deutschland, deine Götter von Gideon Böss


Seit Gretchen einst Faust die berühmte Frage stellte „Nun sag, wie hast du’s mit der Religion?“ hat sich einiges getan. Bezog sich ihr Bangen noch konkret auf das Christentum, stünden dem armen Faust heute deutlich mehr Religionen zur Wahl. Ob Metropolitan Community Church, Scientology oder Fliegendes Spaghettimonster, es gibt für jeden Glauben oder Unglauben eine passende Kirche.

„Deutschland, deine Götter –  Eine Reise zu Kirchen, Tempeln, Hexenhäusern“ von Gideon Böss
Tropen Verlag (Klett-Cotta Verlag)
398 Seiten
19,95 € (Hardcover)

Gideon Böss ist Journalist u.a. für Focus und Cicero und schreibt die (wirklich interessante) Onlinekolumne der Welt „Böss in Berlin“. In der Autorenbeschreibung im Buch heißt es

„Er glaubt an keinen Gott, würde ihn aber trotzdem gern mal kennenlernen.“

Für ein solches Meet and Greet mit Gott hat Gideon Böss einiges auf sich genommen. Er ist kreuz und quer durch die Republik gereist, um die verschiedensten Glaubensrichtungen kennen zu lernen.
Ergebnis dieser Reisen ist ein Buch, in dem in 26 Kapiteln alltägliche und weniger alltägliche Religionen ganz charmant portraitiert werden. Es kommen Gläubige und Priester zu Wort, Schöpfungsgeschichten und Mythen der verschiedenen Religionen werden erklärt. Das Ganze passiert dabei nicht als trockene Faktensammlung, sondern als unterhaltsame und humorvolle Kolumne.

Wie Gideon Böss seine Konfrontation mit den verschiedenen Religionen beschreibt, hat mich ab der ersten Seite beeindruckt. Manchmal habe ich mich gefragt, ob man über Religionen wirklich Lachen darf, aber ich finde: Ja, man darf. Denn der Autor schafft hier ein echtes Kunststück, er hackt und piekt in die Schwachstellen des jeweiligen Glaubens, hinterfragt und deckt Lücken auf. Trotzdem stellt er auch die positiven, herzlichen Seiten jeder Religion ganz wunderbar dar.
Am Ende fragt man sich, warum es eigentlich über so etwas wie den Glauben noch Konflikte geben kann. Jede Religion scheint charmant und grundsätzlich zu ihren „Konkurrenten“ gar nicht so weit entfernt. In sich ist keine Glaubensrichtung wirklich unfehlbar und Böss lässt erkennen, dass er keine Religion idealisiert. Die Wertung überlässt er (dankenswerterweise) dem Leser. Gerade dadurch scheint das ganze Buch so authentisch und ehrlich.

Ich habe jedes Kapitel mit Begeisterung gelesen. Es werden neue Aspekte der bekannten Religionen offenbart und andere Glaubensrichtungen vorgestellt, von denen ich bisher noch nie gehört habe.
Stilistisch ist das ganze Buch eigentlich nur am Rande ein Sachbuch. Obwohl es sich natürlich auch an Leser richtet, die einen Überblick über die mittlerweile nahezu unüberschaubare Anzahl von Religionen erhalten möchten. Für mich war es aber, wie schon gesagt, eher eine humorvolle Sammlung von Kolumnen. Böss gibt viele Anekdoten und äußerst witzige Dialoge seiner Reisen wieder und hat mich allein schon durch seine tollen Beschreibungen der skurrilen Begegnungen unterhalten.

So fliegen die Seiten nur dahin und irgendwann schwirrte mir der Kopf. Mehr als ein Kapitel habe ich zweimal gelesen, um auch alle Details aufzunehmen. Dass ich mich mal so für ein Sachbuch, noch dazu zum Thema Religion, begeistern würde, hätte ich auch nicht geglaubt. Trotzdem gibt es keine andere Wahl als 5 von 5 Leseratten und die Hoffnung, dass dieses Buch viele Leser findet.

P.S. Wie gern würde ich dieses Buch der engstirnigen Religionslehrerin meiner Jugend zusenden ;) …

2 Comments

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  1. 1
    Lena

    Ich fand das Buch auch total toll und hätte da auch so ein paar Religionslehrer, die dieses Buch unbedingt lesen sollten :D Vielleicht sollte man das zur Pflichtlektüre machen? :D

    Liebe Grüße,
    Lena

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