Rezension: Der weiße Knochen von Barbara Gowdy


In meiner aktuellen Lektüre versteckte sich ein echter Schatz. Ein ganz einfaches Buch war “Der weiße Knochen” von Barbara Gowdy dennoch nicht. Es erzählt die Geschichte der Elefanten Afrikas. “Matsch” eine junge Elefantenkuh erlebt mit ihrer Herde grausame Jagd und unerbittliche Dürre. Trotzdem sind da auch wunderschöne Begegnungen zwischen den Elefanten und ihre zahlreichen Sagen und Rituale.
Die Elefanten in Barbara Gowdys Buch scheinen märchenhaft und trotzdem echt. Die sensiblen Dickhäuter bekommen von der Autorin eine eigene Sprache und eigene Geschichten zugeschrieben. Eine dieser Geschichten ist die vom weißen Knochen. Ein Knochen, der den Finder direkt in ein sicheres Land führt, ein Land voll Wasser und ohne die Verfolgung durch den Menschen.

Es hat mich unglaublich berührt zu lesen, wie Matsch und ihre Herde viele dramatische Schicksalsschläge durchleben. Die Grausamkeiten, die der Mensch den Tieren antut, bekommen in diesem Buch ein ganz neues Gesicht. Für diese Tiere müssen wir wahre Monster sein.

Trotzdem ist “Der weiße Knochen” nicht vorrangig ein Naturschutzbuch. Es ist eine Geschichte, fast schon eine Fabel, die viel vom Wesen dieser wunderschönen Tiere zeigt. Elefanten sind sehr intelligente und sensible Tiere, die in ganz besonderen sozialen Strukturen leben. Dies wird in “Der weiße Knochen” wunderschön erzählt auch dargestellt.

Die Sprache des Buches ist eine ganz besondere, wunderschöne und manchmal doch anstrengende. Streckenweise versank ich völlig in dem verträumten Stil mit den tollen atmosphärischen Beschreibungen. Die eigene “Elefantensprache” sorgt für einen Hauch Zauber und manches Schmunzeln. Stellenweise hatte ich mit dem Buch aber auch wirklich zu kämpfen, zu verschlungen die Beschreibungen und statisch die Szenen. Elefanten sind grüblerische Tiere und die Pfade ihrer Gedanken für mich manchmal ein wenig ermüdend.

Trotzdem war ich wirklich verliebt in diese besonderen Protagonisten. “Matsch” ist eine Figur, die mir so noch nicht begegnet ist. Natürlich gibt es andere Werke die aus Sicht von Tieren geschrieben sind. Klassiker wie “Unten am Fluss” nutzen diese besondere Perspektive. In “Der weiße Knochen” bekommt das durch die wirklich liebevolle Darstellung von “Matsch” aber noch mal eine ganz neue Qualität.

Es ist kein ganz perfektes Buch. Zu anstrengend zum Teil die inneren Monologe und für meinen Geschmack etwas zu viel Paarungstrieb im Verlauf der Handlung. Zwar ist so die Natur, zum märchenhaften Charme des übrigen Buches passte das aber stellenweise nicht. Unterm Strich sind das trotzdem verliebte 4 von 5 Leseratten.

Das Buch in einem Tweet:

“Der weiße Knochen” von Barbara Gowdy, übersetzt von Ulrike Becker und Claus Varrelmann, erschienen im Unionsverlag, 320 Seiten, 12,95 € (Taschenbuch)

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