Rezension: Leons Erbe von Michael Theißen


Immer wieder habe ich das Problem, dass ich nach spannenden Thrillern suche, die möglichst ohne die gängigen Klischees auskommen. Ich möchte nichts über grausam verstümmelte Mädchen lesen, ich will keinen traumatisierten Serienkiller der von Mutter oder wahlweise Vater misshandelt wurde. Ich suche nach interessanten Ideen und neuen Ansätzen. Als mir “Leons Erbe” von Michael Theißen angeboten wurde, hatte ich das Gefühl, hier fündig zu werden.

Das Buch dreht sich um eine verzweifelte Mutter, die erst durch einen tragischen Unfall ihren einzigen Sohn verliert und später dem Verschwinden ihrer geliebten Schwester auf die Spur kommt. Die zwei Tragödien im Leben der Familie verspinnen sich im Verlauf der Handlung zu einer bedrohlichen Situation.
Die Situation eine Geschichte mit dem Unfalltod des jugendlichen Sohnes beginnen zu lassen, aus dem Trauerfall aber später einen echten Thriller zu machen hat mir wirklich gut gefallen. Ein wenig schwierig war der Übergang vom traurigen Beginn der Geschichte zur Thrillerhandlung später im Buch dennoch. Für mich schien es sich nicht ganz “rund”, warum die verzweifelte Mutter plötzlich unter Verfolgungswahn leidet und scheinbar harmlose Situationen als bedrohlich empfindet. Die einzelnen Szenen sind schön geschrieben, ihre Übergänge ein wenig holprig.

Die Geschichte, die aus dieser Entwicklung entsteht hat mir dennoch gut gefallen. Michael Theißen kommt ohne blutige Grausamkeit aus und lässt auch die seelische Belastung natürlich wirken. Grausame Serienmörder und Sadisten kommen zum Glück nicht aus der Thriller-Trickkiste. Dadurch wirkt das Buch ganz natürlich, zwar bedrohlich aber eben auch authentisch. “Leons Erbe” ist nichts für Fans von effektheischenden Thrillern, aber kann mit ruhiger Spannung durchaus überzeugen. Trotz einer richtigen Vorahnung hatte ich die Auflösung so tatsächlich nicht erwartet.

Ein bisschen schade sind einige stereotype Figuren, die diesen lebensechten Eindruck wieder trüben: der tätowierte, bösartige Hausmeister oder der eigenbrötlerische Schwager mit Psychiatrievergangenheit wirkten für meinen Geschmack etwas fehl am Platz. Ihren “schaurigen Charme” hätte die Geschichte wirklich nicht nötig gehabt.

Ich habe “Leons Erbe” gern gelesen. Trotz der genannten Schwächen in Handlung und Figuren ist es ein sehr angenehmes Buch für den Thriller-Hunger. Unterm Strich sind es für mich 3,5 von 5 Leseratten. In einigen Aspekten eigentlich vier, in manchen eher drei auf jeden Fall mit gutem Potenzial.

3Ratten

“Leons Erbe” von Michael Theißen, erschienen bei Bastei Lübbe Entertainment, 300 Seiten, 5,99 € (eBook only)

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