Rezension: Wo steckst du, Bernadette? von Maria Semple


Von einem Tag auf den anderen verschwindet Bernadette Fox aus dem Leben ihrer Tochter und ihres Mannes. Die sensible, liebevolle und etwas chaotische Mutter scheint wie vom Erdboden verschluckt.
Was es mit Bernadettes Verschwinden auf sich hat, erzählt “Wo steckst du, Bernadette?” von Maria Semple in ganz ungewöhnlicher Form. Aus Zeitungsartikeln, e-Mails und Notizen ergibt sich ein Ablauf von Ereignissen, der zu Bernadettes Verschwinden mündet. Nur wenige erzählerische Abschnitte lassen zwischendurch “direkt” am Geschehen teilhaben, Großteils wühlen wir uns durch die Spuren einer ungewöhnlichen Frau.

Beinahe detektivisch setzt der Leser sich mit jeder neuen Quelle ein Stück des Bildes von Bernadette  zusammen. Das mag anfangs verwirrend wirken, übte auf mich aber einen unwiderstehlichen Sog aus. Es kommen viele Stimmen rund um Bernadette zu Wort, die Lästereien der Nachbarin geben genau so einen Einblick in ihre Persönlichkeit wie ein Interview mit ihrem Mentor aus Studienzeiten. Durch Bernadettes Mailverkehr bekommt dann auch die Verschwundene selbst eine Stimme. Vor allem diese Abschnitte sind urkomisch und herrlich skurril. Diese Protagonistin ist so wunderbar unangepasst und chaotisch, dass ich sie einfach mochte. Ein Papagei im Taubenschlag!

Neben diesem sehr unterhaltsamen und humorvollen, bunten Chaos von Buch versteckt sich in “Wo steckst du, Bernadette?” aber auch eine schöne und gefühlvolle Geschichte. Eine Geschichte darüber, wie wenig man doch Menschen manchmal kennt, auch wenn man glaubt alles über sie zu wissen. Es müssen keine “Leichen im Keller” sein, die uns entgehen. Vielmehr sind es die wahren Gefühle und Gedanken, die wir wohl häufig übersehen. Darauf macht dieses Buch ganz locker und dennoch sensibel aufmerksam. Eine schöne Botschaft.

Ein bisschen geht es  in diesem Buch auch um das Überwinden von Grenzen. Dafür sinnbildlich steht in der Geschichte die geplante Antarktisreise der Familie Fox. Auf Drängen der Tochter geplant und von Bernadette vorbereitet, wird diese Reise zu einem echten Abenteuer für alle Beteiligten.

Unterm Strich, man merkt’s vielleicht, habe ich mich ein bisschen in dieses Buch verliebt. Locker flockig und trotzdem nicht inhaltlos, hat es mich gepackt. Ein Buch für den Liegestuhl im Sommerurlaub genauso wie für ruhige Abende im Winter. Für neugierige Leseratten wie mich, die Bücher in Brief- und Tagebuchform lieben ein echtes Herzstück. Das macht 5 von 5 Leseratten.

Das Buch in einem Tweet:

“Wo steckst du, Bernadette?” von Maria Semple, übersetzt von Cornelia Holfelder-von der Tann, erschienen im btb Verlag, 384 Seiten, 9,99 € (Taschenbuch)

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1 comment

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  1. 1
    Johanna

    Ah, das Buch habe ich vor kurzem erst zufällig gelesen. War überraschend anders und unterhaltsam. Locker flockig und trotzdem tief. Habe es auf Englisch gelesen und kann es vor allem als Tipp für die, die im Englisch geübter werden wollen, empfehlen, die Sprache ist nämlich recht einfach.

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