Rezension: Tonspuren von Elliot Perlman


Während der Lektüre von “Tonspuren” fragte ich mich immer wieder, warum solche Bücher nicht Pflichtlektüre in unseren Schulen sind. Das Buch dreht sich um den zweiten Weltkrieg und behandelt gleichzeitig die Rassenkonflikte der 1960er in Amerika. Trotzdem ist es nicht trocken, sondern mitreißend, emotional und ehrlich. Ein Buch, das Bildung für Hirn und Herz liefert und unglaublich traurig aber auch inspirierend wirkt.

“Tonspuren” erzählt die Geschichte völlig unterschiedlicher Menschen. Wir lernen einen jungen Afroamerikaner aus schwierigen Verhältnissen kennen, der sich nach einem Gefängnisaufenthalt zurück in die Gesellschaft kämpft, den Überlebenden eines deutschen Konzentrationslagers und einen rastlosen Universitätsprofessor. So weit auseinander die Leben dieser Menschen zu sein scheinen, im Verlauf des Buches finden ihre Geschichten eine immer engere Verbindung.

Mich haben die verschiedenen, ganz unterschiedlichen Aspekte der Geschichte begeistert. Die Rückblicke in die Zeit des zweiten Weltkrieges sind hart und zum Teil wirklich erschreckend. Sie werden aber immer wieder durchbrochen (nicht in jedem Fall wäre “aufgelockert” das richtige Wort) von der bewegten Suche des Professors nach historischen Aufzeichnungen und den gegenwärtigen Entwicklungen der Figuren. Ihre kleinen und großen Dramen, ihre Lebensgeschichten verweben sich zu einem großen Ganzen. Was daraus entsteht ist ein abwechslungsreiches und spannendes Buch, welches in keiner der über 600 Seiten langweilt, obwohl teils schwere historische Themen besprochen werden.

Vor allem die Suche nach den titelgebenden “Tonspuren” entwickelt im Verlauf der Handlung eine unfassbare Magie und ließ vor meinem inneren Auge Bilder entstehen, die mir lange anhaften werden. Das Buch hat so einen direkten Erzählton und eine derart dichte Atmosphäre, das ich die Tonspuren förmlich zu hören glaubte.

Für mich ist “Tonspuren” eine Erinnerung daran, dass Geschichte auch lebendiger Teil unseres Lebens ist. Nicht nur ein abstraktes “Weltgeschehen” sondern die Gesamtheit unserer aller Lebensgeschichten. Es war spannend durch die unterschiedlichen Aspekte der Handlung zu erkennen, dass der Blick auf Zusammenhänge und Parallelen uns Geschichte ganz anders empfinden lässt. Das mag abgedroschen klingen, aber dann kann man aus Geschichte wirkliche Lehren ziehen.

Für mich ist das Buch ganz klar eine unbedingte Empfehlung, zwar keine ganz “leichte Kost” aber die mitreißende Umsetzung schwieriger Inhalte. Ein Buch, dass es mit diesen Bausteinen schafft, mich als Leser völlig in die Geschichte abtauchen zu lassen, verdient 5 von 5 Leseratten!

“Tonspuren” von Elliot Perlman, übersetzt von Grete Osterwald, erschienen im btb Verlag, 692 Seiten, 12,99 € (Taschenbuch)

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1 comment

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  1. 1
    Juliana

    Das muss ich lesen!
    Hatte schon mal einen kurzen Blick darauf geworfen, aber es dann erstmal wieder „vergessen“. Deine Besprechung klingt aber so gut, dass es jetzt definitiv wieder mehr in den Fokus gerückt ist. Die Zeit des Zweiten Weltkrieges lässt mich irgendwie nie so ganz los.

    Danke für den Tipp!

    Viele liebe Grüße
    Juliana

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