Rezension: Lebensgeister von Banana Yoshimoto


Wenn wir jung sind, vertagen wir die Gedanken an den Tod auf später, auf morgen, auf eine möglichst ferne Zukunft. So geht es auch der jungen Sayoko, bis sie durch einen schweren Unfall und den Verlust ihres Geliebten unerwartet und heftig mit ihrer eigenen Sterblichkeit konfrontiert wird. Das ändert Sayokos Leben, ihre Weltsicht und ihr ganzes Fühlen auf unerwartete Art und Weise.
Statt düsteren Gedanken und Ängsten, lernen wir mit Sayoko den Tod als etwas friedvolles und sogar hoffnungsvolles kennen. Zu Beginn des Buches trifft Sayoko in einer Nahtoderfahrung ihren geliebten verstorbenen Großvater und ihren Hund wieder, wird von diesen begrüßt aber schließlich zurück ins Leben geschickt. Diese Szenen sind so wunderbar beschrieben, dass auch ich unmittelbar Sayokos Ruhe und großes Glück spüren konnte.
Damit öffneten sich für die Protagonistin und auch für mich als Leserin ganz neue Gedankengänge über Leben, Tod und Sterblichkeit. Statt in Angst zu verharren ist Sayoko dankbar für die Kräfte ihres Körpers, für ihre Lebensgeister.

Für meinen Geschmack wird nach dem hinreißenden Beginn in dieser Novelle jedoch später zu viel gewollt. Als zweites zentrales Thema der Geschichte wird Sayakos Umgang mit dem Tod ihres geliebten behandelt. Trotz der schönen Weisheiten, die sich aus Sayokos Gedanken ergeben, hat die Geschichte in diesem Teil auch wirklich bedrückende Seiten. Leider habe ich ich in diesen Abschnitten ein wenig die Tiefe vermisst, die mir gerade im ersten Abschnitt des Buches so den Atem raubte. Wie ein junger Mensch einen solchen Rückschlag überstehen kann und lernt seinem Leben eine neue Richtung zu geben, hätte viel mehr Potenzial geboten.
Darüber hinaus rutscht die Geschichte leicht ins spirituelle, dadurch, dass die Protagonistin in Folge ihres Unfalls plötzlich die Geister Verstorbener überall um sich herum sieht. Ich würde das zwar eher als Metapher verstehen, hat Sayoko nun doch einfach einen anderen Blick auf die Welt, aber es gibt der Geschichte so einen magischen Beigeschmack, der nicht recht zum Rest passen will.

Ich muss ein bisschen Trennen zwischen der Geschichte, die durchaus ihre Schwächen hat, und der Autorin, die ich in diesem Buch neu kennenlernte und die mich trotz allem sofort beeindruckt hat. Banana Yoshimoto erzählt mit so viel Feingefühl, die Geschichte ist atmosphärisch stark und besitzt eine unglaubliche Kraft. Ich weiß nicht wie ich das bewerten soll… und mache es deshalb nicht. Keine Leseratten, aber die Aufforderung: los, traut euch und probiert es aus!

“Lebensgeister” von Banana Yoshimoto, übersetzt von Thomas Eggenberg, erschienen im Diogenes Verlag, 160 Seiten, 15,00 € (Klappenbroschur)

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