Rezension: Loney von Andrew Michael Hurley


Für mich war „Loney“ von Andrew Michael Hurley wie eine Sektflasche, bei der man Angst hat der Korken würde gleich in die Luft schießen und bei der das Öffnen dann doch nur mit einem leisen Zischen verpufft. Das heißt meine Anspannung und Erwartungen, waren viel größer als es die Geschichte eigentlich erfüllen konnte.

Dabei klang das alles noch gut: in „Loney“ erleben wir abergläubische Frömmelei und Dorfklüngel vor der düsteren Kulisse Nordenglands. Eine Familie fährt jedes Jahr mit der Gemeinde ins Loney, um an einer heiligen Quelle für die Heilung ihres Sohnes „Hanney“ zu beten. Der Junge ist stumm und geistig zurückgeblieben, mit Gottes Gnade soll er errettet werden. Für Hanney und seinen Bruder sind die Fahrten nach Loney anstrengende Tortur und Abenteuerurlaub gleichermaßen.

Gegen die Atmosphäre von „Loney“ kann man wirklich nichts sagen. Sowohl die Protagonisten als auch das Setting scheinen einen wirklich schaurigen Rahmen für die Handlung zu bilden, alles wirkt solide aufgebaut und könnte interessante Konflikte bieten. Da sind die Mitglieder der Familie, allen voran die vom ich-Erzähler „Mammer“ genannte Mutter, die sich völlig der Hoffnung auf Gott hingeben. Auch die Bewohner des Loney wirken allesamt ziemlich eigenbrötlerisch und verschroben. Seltsame Begebenheiten deuten an, dass in Loney nicht alles so ist wie es zu sein scheint.
Leider entwickelt sich aus dieser schönen Atmosphäre einfach nichts. Die Andeutungen werden nicht konkretisiert, das drohende Unheil droht halbherzig vor sich hin. Jedes Mal, wenn ich während der Lektüre dachte, dass da gleich etwas ganz furchtbares passieren muss… passierte einfach wieder nichts oder jemand betete. Manchmal wurde auch zuerst gebetet und dann passierte… nichts.

Wir haben also einen ganzen Sack voll Figuren, die spannende Themen und düstere Geheimnisse bieten könnten, eine der wildesten und mystischsten Landschaften überhaupt und dann absolut nichts. Eigentlich liest sich „Loney“ toll, der Autor zeichnet schöne Bilder von Figuren und Landschaften, darüber hinaus war mir das Buch aber zu leer und ideenlos. Gerade der Kontrast zwischen Kirche beziehungsweise Glauben und der als „Gottesstrafe“ betrachteten Behinderung, hätte Potenzial für viel mehr Handlung und tiefgründigere Betrachtungen geboten.

Natürlich passiert dann doch eine winzige Kleinigkeit. Tatsächlich war dieser „Höhepunkt“ der Geschichte in meinen Augen eher das leise Zischen der Sektflasche. Denn statt spannende Fragen über Gott und Teufel zu stellen und die Charaktere mit ihrer eigenen Scheinheiligkeit zu konfrontieren, ergeht sich der Autor auch hier nur in Andeutungen. Für mich schlappe 2 von 5 Leseratten, auch nur weil die durchgehende Anspannung und Hoffnung auf „mehr“ mich über die Lektüre gerettet hat.

Das Buch in einem Tweet:

“Loney“ von Andrew Michael Hurley, übersetzt von Yasemin Dincer, erschienen im Ullstein Verlag, 384 Seiten, 22,00 € (Hardcover)

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1 comment

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  1. 1
    Lotta

    Guten Morgen,
    ach man das ist so schade, vor allem wenn man zu bestimmten Themen in einem Buch eine Erwartung hat und die dann so überhaupt nicht erfüllt wird. Ich hatte das mal bei einem Buch in dem es darum ging dass Menschen auf offener See in einem winzgien Boot gefangen waren und dort nicht wegkonnten. Ich hatte die Hoffnung auf richtig psychologische Spannung und wurde maßlos enttäuscht. So ähnlich klingt das hier bei dir auch. :/
    Ich werde dieses Buch wahrscheinlich nicht unbedingt meinen Kunden empfehlen.
    Danke dafür.

    Liebst, Lotta

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