Rezension: Schwarzgeld von Ross Macdonald


Noch nie habe ich so einen schicken und eleganten Kriminalroman wie “Schwarzgeld” von Ross Macdonald gelesen. Bereits 1966 im Original erschienen und erstmals 1995 ins Deutsche übersetzt, hat der Diogenes Verlag nun eine wunderbare und stilvolle Neuübersetzung des Buches veröffentlicht, die modern daher kommt und den besonderen Charakter der Geschichte trotzdem erhält.

“Schwarzgeld” ist ein Band aus der Reihe rund um den charmanten und dennoch ziemlich toughen Privatdetektiv Lew Archer. Seine Fälle sind einerseits klassische Kriminalgeschichten, gleichzeitig aber wirklich ungewöhnlich arrangiert. So dreht sich auch “Schwarzgeld”  nicht um die Leiche im Keller und den Gärtner als Mörder, sondern um eine verschmähte Liebe und die Machenschaften der wohlhabenden Gesellschaft. Es ist nämlich ein verlassener Verlobter, der Lew Archer beauftragt dem neuen Mann im Leben seiner Geliebten auf die Schliche zu kommen. Mit dem eitlen Pfau kann etwas nicht stimmen, er scheint sich das Herz der Frau und den Zugang zum noblen Tennisclub in Montevista erschwindelt zu haben.

Was jetzt vielleicht unspektakulär klingt, entwickelt sich zu einer tollen Geschichte in der feinen amerikanischen Gesellschaft. Es geht um Spielsucht, Betrug, Mord und das titelgebende Schwarzgeld. Die Geschichte bemüht sich in Kreisen, in denen alle bemüht sind die sprichwörtliche weiße Weste zu behalten und führt Lew Archer dennoch in menschliche Abgründe. Gelungen thematisiert wird die Bedeutung von Herkunft und Streben eines Menschen für seinen Platz in der Gesellschaft. Können wir jemals aus unserer Haut?

Wunderbar gelungen sind vor diesem Hintergrund vor allem die Figuren, die diese Geschichte bevölkern. Vom Auftraggeber Archers, einem stark übergewichtigen und stark verunsicherten jungen Mann aus bestem Hause, über den unerwünschten Eindringling bis hin zu den Mitgliedern des schicken Tennisclubs, hat der Autor spannende und ungewöhnliche Charaktere geschaffen. Immer wieder zeigen sie die Licht- und Schattenseiten der amerikanischen Gesellschaft, den Wunsch nach Ruhm und Reichtum genauso wie die Laster und menschlichen Schwächen.
Auch Archer selbst ist ein facettenreicher Charakter, distanziert und trotzdem vor allem bei der Damenwelt äußerst beliebt. Im Gegensatz zu Helden von heutigen Kriminalromanen schleppt er keine klischeehaften eigenen Probleme mit sich herum, sondern ist unaufgeregt und integer, ein einfach cooler Ermittler.

Was mich aber völlig begeistert hat ist Ross Macdonalds tolle, bildhafte Sprache. Die Übersetzung ist gelungen “entstaubt”, ihr Alter merkt man der Geschichte wirklich nicht an, gleichzeitig aber sehr elegant. Vor allem bei der Beschreibung von Personen und Gesprächen wird dies durch sehr eindrückliche Metaphern ergänzt, die mir nicht mehr so schnell aus dem Kopf gehen.

“Sie biss sich auf die Lippen, wie um sich dafür zu bestrafen, dass sie zu viel gesagt hatte.”

Ehe ich zu viel sage kurz und gut: ich bin süchtig. Für mich ist Ross Macdonald feines Krimi-Lesefutter, spannende Geschichten, die mich nicht mehr loslassen. Ganz klar 5 von 5 Leseratten und diebische Freude auf die nächsten Bände.

Das Buch in einem Tweet:

“Schwarzgeld” von Ross Macdonald, übersetzt von Karsten Singelmann, mit einem Nachwort von Donna Leon, erschienen im Diogenes Verlag, 368 Seiten, 16,00 € (Paperback)

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5 Comments

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  1. 1
    Mageia

    Das klingt wirklich ansprechend: “ So dreht sich auch “Schwarzgeld” nicht um die Leiche im Keller und den Gärtner als Mörder, sondern um eine verschmähte Liebe und die Machenschaften der wohlhabenden Gesellschaft.“ Es ja irgendwie laangweilig, dass es in fast alle Krimis sonst immer ein Mord sein muss!

    • 2
      Alexandra

      Es ist auch ein wirklich toller Ansatz und macht die Geschichten um Lew Archer für mich schon jetzt so ungewöhnlich und besonders. Ich habe noch drei Romane vor mir und keiner beginnt mit der Standardkonstellation, das macht schon viel mehr Lust aufs Buch!

      Viele liebe Grüße,
      Alexandra

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