Rezension: Der blaue Hammer von Ross Macdonald


Wie ungewöhnlich es ist, dass mich ein Autor derart fasziniert, dass ich fünf Romane in Folge lese, habe ich euch schon bei meiner Rezension zu “Dornröschen” erzählt. Vermutlich hätte ich euch die Rezension zu diesem Buch auch ganz erspart, nachdem “Dornröschen” nur so mittelmäßig war. Dann hat mich “Der blaue Hammer” aber so umgehauen und eine derartige Begeisterung bei mir ausgelöst, dass ich euch von diesem Buch nun wirklich noch kurz erzählen muss.

Natürlich gibt es wieder Aspekte, die sich auch im Vergleich zu den übrigen Bänden der Reihe um den Privatdetektiv Lew Archer nicht unterscheiden: Ross Macdonald erzählt atmosphärisch und stilvoll (anders kann ich es einfach nicht nennen), sein Ermittler ist unaufgeregt, der Fall ziemlich verzwickt und mit weitreichenden Verbindungen in die Vergangenheit aller Figuren der Geschichte.

In “Der blaue Hammer” begegnet dem toughen Detektiv aber eine ganz andere Art von Fall, ein ganz anderes Klientel von Menschen. Er soll nämlich im Fall eines verschwundenen Gemäldes ermitteln und begibt sich so in die Welt erfolgreicher und erfolgloser Künstler, gescheiterter Existenzen und gealterter Modells. Zwar führen Archer seine Ermittlungen auch wieder in die Häuser der Reichen und Schönen, aber diese spielen eine ganz andere Rolle als in vielen anderen Büchern.

Auch die Art der Verwicklungen in diesem Roman ist ganz anders als sonst. Statt Beziehungsdramen und klassischen Rollenbildern gibt es rebellische Jugendliche, Betrug und Eifersucht abseits der üblichen romantischen Dramen. In “Der blaue Hammer” geht es eben ein bisschen um gescheiterte Träume und verschwendete Talente. Ein irgendwie melancholischer Krimi, der andererseits spannend und flott erzählt wird und keine Pause für trübe Gedanken lässt. Nur ganz am Rande, wenn zum Beispiel das alternde Modell über die Vergänglichkeit der Schönheit spricht, kommen die traurigen Töne zum tragen.

Wer Ross Macdonald kennt und von einer neuen Seite entdecken möchte oder diesen Autor ganz neu für sich kennenlernen will, sollte “Der blaue Hammer” unbedingt einmal lesen. Neben “Schwarzgeld” ist es zu meinem absolut liebsten Buch dieses Autors geworden, weil es so wunderschön von verlorenen Hoffnungen erzählt und ganz nebenbei einen weit verzweigten und interessanten Kriminalfall entrollt.

“Der blaue Hammer” von Ross Macdonald, übersetzt von Karsten Singelmann, erschienen im Diogenes Verlag, 432 Seiten, 12,00 € (Taschenbuch)

Merken

+ There are no comments

Add yours