Rezension: Diese Dinge geschehen nicht einfach so von Taiye Selasi


Wegen des farbenfrohen Covers und eher lockeren Titels erwartete ich bei “Diese Dinge geschehen nicht einfach so” ein einfaches Jugendbuch. Ich weiß nicht genau, wie ich darauf kam, schließlich wird es nirgendwo als solches beschrieben. Umso mehr hat mich das intensive Familienpanorama dieses Buches umgehauen. Die Geschichte geht viel tiefer und ist viel schmerzhafter als ich es erwartet hatte.

Das Buch erzählt wie ein Drama in drei Akten die Geschichte einer trauernden Familie. Es beginnt mit dem Tod des Vaters und der unmittelbaren Trauer, die seine ganze Familie erfasst. Obwohl seine Frau und die längst erwachsenen Kinder überall auf der Welt verstreut leben, eint sie ihre erste Hilflosigkeit. Im zweiten Akt scheint die Geschichte Atem zu holen, das Buch erzählt vom Innehalten der einzelnen Kinder und von ihren Erinnerungen an den abwesenden Vater. Im dritten Teil findet sich mit der Rückkehr nach Ghana, dem Heimatland des Vaters, schließlich ein Aufbruch zum Neuanfang der Familie.

Obwohl die Familie so verstreut lebt, wird Ghana in dieser Geschichte als ihre wahre Heimat unglaublich schön portraitiert. Die Bodenständigkeit und Gläubigkeit seiner Bewohner, aber eben auch ihre Armut und ihr Kampf gegen die Bedeutungslosigkeit werden toll und mit klugen Worten erfasst.

“Niemand brauchte je die Details. Es gab einen elementaren Handlungsstrang, den jeder kannte, dazu die wenigen maßgeschneiderten Abschlüsse, die ab und zu jemand auswählen konnte.”

Doch so pragmatisch ist es gerade in diesem Buch nicht. Es ist eben nicht eine Familiengeschichte wie alle anderen, obwohl es auch die üblichen Entwicklungen und Konflikte gibt. Das Leben aller Figuren des Romans kreist um Ghana, egal wie weit sie sich entfernt haben, ihre Wurzeln können sie nicht abschütteln. Der Kontrast zwischen Nähe und Distanz zu dem besonderen Land hat mich sehr berührt.

Besonders gelungen hat die Autorin außerdem die verschiedenen Charaktere der Familienmitglieder gezeichnet. Alle kämpfen mit ihren eigenen Problemen und empfinden sich als Außenseiter der Familie, die Geschwister schöner, besser und klüger. Eine schöne Darstellung, die wieder einmal darauf hindeutet, dass wir von den anderen nur die besten Seiten kennen, von uns selbst dagegen die ganze Wahrheit und alle Schwächen. Es ist irgendwie tröstlich zu verstehen, dass es allen anderen ganz genau so geht. Dieser Aspekt wurde sehr schön und ganz sanft in die Handlung eingewoben und ist Teil der kraftvollen Botschaft des Romans.

Es ist ein nachdenkliches Buch ohne “schwafelig” oder gar langatmig zu sein, die Gedanken über die afrikanische Herkunft und ihre Bedeutung aber auch über Heimat allgemein bleiben einfach haften. Die Geschichte dreht sich um die Aussöhnung mit der eigenen Herkunft.

Es liegt aber auch an der sehr poetischen und schönen Sprache, dass dieses Buch ein echter Genuss ist. Obwohl kaum Metaphern verwendet werden, ist die Erzählweise des Romans sehr bildhaft und detailliert. Es wird aber auch mit Sprache gespielt, mit wiederholenden Satzanfängen oder mit einem Kapitel das mal nur aus vier Worten besteht. Ich bin wirklich verliebt in diesen Erzählstil. Schade, dass es das einzige Buch der Autorin ist.

Insgesamt hat mich dieses Buch beeindruckt und begeistert, da es so emotional und tiefgründig aber eben auch unaufgeregt und authentisch daherkommt.

“Diese Dinge geschehen nicht einfach so” von Taiye Selasi, übersetzt von Adelheid Zöfel, erschienen im Fischer Taschenbuch Verlag, 398 Seiten, 10,99 € (Taschenbuch)

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