Rezension: Sommertöchter von Lisa-Maria Seydlitz


“Sommertöchter” von Lisa-Maria Seydlitz hat meine literarischen Schlüsselreize voll erfüllt: es gibt einen mysteriösen Brief und ein Familiengeheimnis, dazu einige menschliche Dramen. Richtig überzeugt hat mich die Geschichte leider trotzdem nicht, doch dazu später mehr.

Im Buch begegnen wir June, ein rätselhafter Brief führt die junge Frau zu einem Haus in der Bretagne, dieses Haus soll ihr Erbe sein. June macht sich auf den Weg nach Frankreich, will das Haus erkunden und sich mit dem Tod ihres Vaters auseinandersetzen. Dort angekommen merkt sie, dass sie nicht allein am Haus interessiert ist. Sie nähert sich dessen Bewohnern und auch ihrer eigenen Vergangenheit.

Der Funke wollte einfach nicht überspringen. Irgendwie wirkte die Geschichte auf mich unausgereift und faserig. Das liegt zum einen an unstimmigen Kleinigkeiten in der Handlung (wie zum Beispiel ein Film, der nie entwickelt wurde, dessen Fotos aber an der Wand hängen), zum anderen liegt es für mich an der Stimmung des Buches. Zwar bietet Junes Leben und vor allem die Beziehung zu ihrem Vater eigentlich eine spannende Thematik, diese gerät für meinen Geschmack aber zu oft in den Hintergrund. Obwohl das Wort “Depression” nicht genannt wird, schwebt diese Last über der Familie, birgt die Krankheit des Vaters einige Konflikte und könnte viel genauer ausgearbeitet werden. Vielleicht wollte die Autorin das Thema in der Geschichte bewusst ebenso an den Rand stellen, wie es die Figuren in ihrem Leben verdrängen?

Leider konnte ich mit dieser Perspektive nicht recht warm werden. Auch der distanzierte und kühle Erzählstil hat dazu beigetragen, dass ich mich nicht wohlfühlte, obwohl mich die Handlung und ihre Entwicklung doch fasziniert hat. Wie kalte Häppchen werden die Sätze hingeworfen, eine Erzählung die teils das Gefühl einer Aufzählung vermittelt. Ein wenig zu künstlerisch, die Figuren zu bohemian für meinen Geschmack.

Trotzdem hat mich die Lektüre auch gefangen. Dieses stille Kreisen um eine Familientragödie, die ja eigentlich ein eher alltäglicher Schicksalsschlag ist, hat mich sehr bewegt. Die Teile der Geschichte, die verschiedene Rückblenden in Junes Kindheit darstellten, sind in dieser Hinsicht besonders gelungen. Dort wird in kleinen Schritten die Tragik in dem eigentlich geordneten Leben enthüllt. Es sind Details, die an wenigen Stellen die ganze Tragweite des Geschehens deutlich machen, eine umgekippte Topfpflanze, ein nicht gegessener Kuchen.

“Sommertöchter” von Lisa-Maria Seydlitz, erschienen im Dumont Buchverlag, 208 Seiten, 9,99 € (Taschenbuch)

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