Rezension: Hard Revolution von George Pelecanos


Mit “Hard Revolution” von George Pelecanos habe ich eine wahre Berg- und Talfahrt erlebt. Eigentlich schien es eine sichere Bank zu sein: Amerika, 1960er Jahre, Rassenunruhen in Washington. Auch die ersten Seiten waren vielversprechend, stellten sympathische und konfliktreiche Figuren vor, deren weitere Entwicklung ich gern weiter verfolgen wollte.

Das hat mir dieses Buch im weiteren Verlauf aber wirklich nicht leicht gemacht. Die Handlung bewegt sich nach dem flott erzählten ersten Drittel nur noch zäh voran und der Autor verliert sich hauptsächlich in der Nennung oder Beschreibung von Songs und Autos der Zeit. Während ich zu Beginn noch jedes Lied angehört, jeden Wagen angeschaut habe, war das später in dieser Masse absolut nicht mehr machbar und auch nicht mehr interessant. War das nun die Figur mit dem Cadillac oder doch der Typ mit dem Mercury mit Weißwandreifen? Obwohl einige Details tatsächlich für die weitere Handlung eine Bedeutung haben, hätte man diesen Ballast für meinen Geschmack einfach deutlich reduzieren können.

Die Grenze zwischen “historisch authentisch Erzählen” und “mit langatmigen Fakten und Details Überfrachten” ist manchmal schmal, aber genau da liegt auch die Kunst, um in einer Geschichte nicht nur zu sagen, dass sie zu einer bestimmten Zeit spielt, sondern es zu zeigen.

Aber auch der gewählte Rahmen für die Handlung ist zumindest fragwürdig. Toll beschrieben wird einerseits mit welcher Dynamik soziale Unruhen und Randale entstehen und mit welcher Willkür sie sich in Gewalt entladen können, ziemlich unvermittelt endet dann jedoch eine Geschichte, die gerade danach doch richtig spannend wird. Was hat sich aus den Unruhen entwickelt? Welche Wege nehmen die Figuren nach dieser extremen Erfahrung? Zwar Themen, die den Leser zum Nachdenken anregen, aber verspielte Möglichkeiten um im Roman wichtige Gedanken weiter zu vertiefen.

Damit hätte man außerdem einen schönen Bogen zum Beginn des Buches schließen können. Denn trotz meiner Meckerei liegt da die große Stärke dieses Romans. Die Erzählung beginnt relativ unvermittelt im Alltag zweier völlig unterschiedlicher Kinder (beziehungsweise Jugendlicher), deren Freundschaft nicht nur durch ihre unterschiedlichen Hautfarben etwas Besonderes ist. Wie sich diese Jungen und ihre Freundschaft entwickeln, welche prägenden Erlebnisse ihren Charakter formen und die Bahn für den weiteren Lebensweg ebnen, wurde wunderbar erzählt. Diese Abschnitte bereiten Themen wie der Ursache der später aufkeimenden Rassenunruhen, Vorurteilen und Vorverurteilungen wunderbar vor.

Ich bin ein bisschen hin und her gerissen, einerseits hat mich das Buch mit seiner Thematik und den toll erarbeiteten Figuren schwer gepackt. Andererseits habe ich vor allem in späteren Abschnitten der Geschichte sehr den Bezug zu eben diesen Figuren und ihren Entwicklungen verloren. Kein Flop, aber in meinen Augen auch kein Pageturner. Kann man lesen, muss man aber nicht.

“Hard Revolution” von George Pelecanos, übersetzt von Gottfried Röckelein, erschienen im Ars Vivendi Verlag, 398 Seiten, 24,00 € (Hardcover)

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