Rezension: Höllenjazz in New Orleans von Ray Celestin


In den Jahren 1911 bis 1919 machte ein Mörder New Orleans unsicher, der “Axeman” genannt wurde. Ein Phantom, das scheinbar durch geschlossene Türen wandeln konnte und von niemandem gesehen wurde. Diesen Kriminalfall, der zur urbanen Legende in New Orleans wurde, bearbeitet Ray Celestin in seinem Kriminalroman “Höllenjazz von New Orleans”.

Wer mich kennt und hier schon eine Weile mitliest weiß, dass ich eine echte Schwäche für True Crime Romane hege und besonders auf mysteriöse und ungelöste Kriminalfälle “stehe”. Ich habe mich also schnell überzeugen lassen, dass “Höllenjazz” genau das richtige Buch für mich ist.

Leider muss ich gleich vorab sagen, dass der Ton des Buches für mich im wahrsten Sinne nicht getroffen war. Ich konnte mich immer nur schwer auf den doch etwas ungewöhnlichen und wirklich irgendwie jazzartigen Stil “eingrooven”. Die Geschichte wird aus wechselnden Perspektiven dreier unterschiedlicher Ermittler erzählt, die aus verschiedensten Gründen dem Axeman auf der Spur sind. Sprachlich unterschieden sich diese Abschnitte kaum, sie sind alle mit diesem ganz eigenen, für mich etwas sperrigen Schreibstil verfasst. Schlangenartige Sätze mit einem ganzen Strauß an Nebensätzen und Einschüben stehen im harten Kontrast zu den knappen und eher schnoddrigen Dialogen. Dazwischen zack, immer wieder kurze Sätze, Ergänzungen wozu auch immer. In diesem Stil konnte ich keinen echten Rhythmus finden und tat mich wirklich schwer mit der Lektüre.

Das ist besonders schade, da der Roman inhaltlich und vor allem mit der Wahl seiner Protagonisten wirklich punkten kann.

Die drei Ermittler des Romans sind super gewählt: Michael, ein Polizist dessen Karriere auf dem Spiel steht. Der Axeman wird für ihn zur Bewährungsprobe, hat er doch noch einige private Angriffspunkte (nein! nicht die üblichen Klischees, das war hier wirklich gut gelungen). Dann gibt es Luca D’Andrea, einen Expolizist und Mafia Zögling, der im Auftrag des Familienoberhauptes seines Clans den Axeman zur Strecke bringen soll. Zu guter Letzt begleiten wir Ida, die weibliche Ermittlerin, eine sympathische, jüngere und frischere Miss Marple. Jeder der drei Ermittler verfolgt andere Spuren, jeder Abschnitt betrachtet andere Themen und Konflikte. So setzt sich für den Leser Stück für Stück das Puzzle rund um den Axeman zusammen.

Anders als erwartet ist “Höllenjazz” kein simpler Kriminalroman sondern bietet einiges an Tiefe. Der Roman erzählt von sozialen Konflikten im kulturellen Schmelztiegel von New Orleans. Dabei geht es natürlich um Rassenprobleme, um Traditionen, Fragen von gesellschaftlichem Stand und auch um Geschlechterrollen. Das ist besonders schön durch die weibliche Ermittlerin Ida, eigentlich Sekretärin einer Pinkerton Detektivagentur, ins Spiel gebracht. Wir treffen auf anständige Bürger, auf die organisierte Kriminalität der Black Hand (also die Mafia) und viele spannende Zwischentöne.
Dieser wahnsinnig interessante Strauß an Themen und Figuren war es, der mich trotz einiger “Hänger” immer wieder zu diesem Buch gezogen hat. Mit Jazz an sich hat die Geschichte übrigens nicht viel zu tun, obwohl natürlich der Flair und die Musik von New Orleans in der Geschichte immer wieder aufgegriffen werden.

An der Handlung kann ich wenig Kritikpunkte finden. Einzig dass dem Axeman-Fall ein wenig das Mysteriöse genommen wurde, indem eine konkrete Lösung konstruiert wurde, hat mich etwas irritiert. Der Fall hätte gern etwas mehr im Nebel bleiben dürfen. Schließlich sollte es sich ja um einen True Crime Roman handeln.

Insgesamt ist “Höllenjazz in New Orleans” für mich so ein Zwischending: zu cool und spannend um nicht beachtet zu werden, zu sperrig und ungelenk um wirklich zu überzeugen. Für mich gehört eine schöne oder eingängige Sprache einfach dazu, um richtig zu begeistern.

Vielleicht kann dich das Buch überzeugen?

“Höllenjazz in New Orleans” von Ray Celestin, übersetzt von Elvira Willems, erschienen im Piper Verlag, 510 Seiten, 16,00 € (Klappbroschur)

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