Rezension: Kleine Feuer überall von Celeste Ng


Schon der erste Satz des Buches schlägt ein wie eine Bombe und lässt viel erahnen von dem, was kommen wird.

“In jenem Sommer redeten alle in Shaker Heights darüber, wie Isabelle, das jüngste Kind der Richardsons, endgültig durchdrehte und das Haus abfackelte.”

Wie schon in ihrem ersten Roman thematisiert Celeste Ng auch in “Kleine Feuer überall” die Dramen hinter eigentlich heilen Fassaden. Und Shaker Heights, die Kulisse des aktuellen Romans, ist wirklich der Inbegriff einer heilen Welt. Ein Wohngebiet für wohlhabende, weiße Menschen, deren Leben in ganz genau festgelegten Bahnen verläuft. Deren Rasen nicht zu hoch, Hecken nicht zu wild und Blumen nicht zu bunt sind. Was dort in den Vorgärten zu finden ist, setzt sich auch in den Wohnzimmern der Familien fort. Warum Isabella aus dieser heilen Welt ausbricht, ja ausbrechen muss, und sprichwörtlich Feuer im Leben ihrer Familie legt, steht im Zentrum des Romans.

Ich kann es nicht anders beschreiben, aber der Stil der Autorin ist für mich unwiderstehlich. Sie spielt mit Worten und Bildern, beschreibt die Gefühle und Gedanken ihrer Protagonisten scharf und hintergründig.

“Ihr bisheriges Leben war von stummer, vergeblicher Wut bestimmt gewesen.”

Viele Beschreibungen sind detailliert und eindeutig, aber immer wieder bleibt in abstrakten Beschreibungen auch Raum für eigene Gedanken und Gefühle. Ich liebe diesen Wechsel zwischen klar Ausgesprochenem, flott Erzähltem und diffusen Andeutungen. Irgendwo habe ich  mal gehört ein Büch sei “süffig” zu Lesen, eine für mich schwer greifbare Charakterisierung eines Romans. Irgendwie ist sie für dieses Buch aber treffend. Wie schon im ersten Roman der Autorin, hat mich die Geschichte so gefangen, dass ich sie zunächst nur atemlos verschlingen konnte. Zu dringend wollte ich alle Geheimnisse erfahren, alle Verwicklung der Figuren ergründen. Jetzt beim Schreiben der Rezension habe ich wieder begonnen den Roman zu lesen. Diesmal bedachter und mit mehr Ruhe. Weniger spannend ist die Geschichte nun trotzdem nicht. Obwohl ich weiß, was passieren wird, ist in diesem Roman so viel zu entdecken.

Vor allem die Figuren, die diesen Roman bevölkern, sind unglaublich spannend charakterisiert und bieten interessante Konflikte. Die zwei Familien, die im Zentrum der Geschichte stehen, könnten gegensätzlicher kaum sein und ihr Aufeinandertreffen erzeugt eine ganz besondere, unheilvolle Stimmung. Die Richardsons sind genau das, was man sich als perfekte amerikanische Familie vorstellt, ein erfolgreicher Vater, eine treusorgende Mutter, sportliche und intelligente Kinder. Isabella ist von Anfang an das graue Entchen unter diesen Schwänen. Toll gelungen ist, wie im Verlauf des Romans dann aber auch bei der einen oder anderen Figur die Fassade bröckelt und verdrängte Wünsche und enttäuschte Sehnsüchte zu Tage kommen.

Es fällt mir schwer zu sagen, was genau das eine Thema des Romans ist. Für mich geht es um (enttäuschte) Erwartungen, um die verschiedenen Konzepte von Familie und um Mutterliebe. Diese Themen treffen wir in allen Abschnitten des Romans in unterschiedlichen Gewändern wieder, werden zum Nachdenken angeregt und zu Tränen gerührt. Es gibt Abschnitte, in denen die Autorin klar zu positionieren scheint, was gut und was schlecht ist. Richtig und falsch sind scheinbar eindeutig zu erkennen. Manchmal wird uns dann nur wenige Seiten später die andere Seite derselben Medaille gezeigt. Viele Situationen sind dann nicht mehr so klar und unser Urteil ungleich schwieriger zu Fällen.

Mein Urteil über dieses Buch ist hingegen sehr eindeutig: unbedingt Lesen! Trotz seiner eher ruhigen Spannung ist es ein Roman, der den Leser einfach nicht mehr loslassen wird und ich glaube, dass Fans verschiedenster Genre genau das Richtige für sich aus diesem Buch ziehen werden.

“Kleine Feuer überall” von Celeste Ng, übersetzt von Brigitte Jakobeit, erschienen im dtv Verlag, 382 Seiten, 22,00 € (Hardcover)

3 Comments

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  1. 1
    Kerstin von KeJas-BlogBuch

    Hallo Alexandra
    um das Buch schleiche ich auch schon eine Zeit und war mir nicht sicher ob es zu oberflächlich ist. Ist es wohl nicht und jetzt will ich diese alles andere als heile Welt kennenlernen.
    Eine tolle Rezension von dir
    Liebe Grüße und hab noch einen schönen Sonntag
    Kerstin

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