Rezension: Das Tiefland von Jhumpa Lahiri


Ich liebe Bücher, mit denen ich in fremde Länder und Kulturen eintauchen kann. Diese Leidenschaft hat sich mittlerweile zu einer inoffiziellen literarischen Weltreise entwickelt. Mit “Das Tiefland” von Jhumpa Lahiri lernte ich nun Indien kennen und erkundete die Geschichte und Kultur dieses faszinierenden Landes, fernab der üblichen Bollywood Klischees.

Dabei ist “Das Tiefland” zu allererst ein Familienroman: die Geschichte dreht sich um Subhash und Udayan, zwei Brüder ebenso unzertrennlich wie unterschiedlich. Nach einer Kindheit, in der sie keinen Schritt ohne einander tun, entwickeln sie sich in ihrer Jugend zunehmend auseinander. Im Verlauf der Geschichte verfolgen wir Subhashs Weg in die USA, wo er studieren und der Heimat entfliehen will, während Udayan in den wirren politischen Verhältnissen Indiens zum Widerständler wird und sich mit den Maoisten einlässt.

Hauptthema des Romans ist die Heimat beziehungsweise das Verlassen der Heimat. In verschiedener Weise erleben alle Figuren des Buches die Auseinandersetzung mit der Heimat oder innere Heimatlosigkeit. Vor allem Subhash und Udayan, aber auch Udayans Frau und Tochter später, erleben auf verschiedene Weise einen Konflikt mit ihrer Kultur.
Teilweise war es für mich schwierig mich in die Denkweise der Charaktere hineinzuversetzen, zu verstehen wie die Protagonisten mit ihrer Traurigkeit und ihrem Schicksal umgehen. Ihre Handlungen und Denkweisen sind, so sehr sie sich auch von der Heimat entfernten, oft von Verpflichtung und Tradition geprägt, gleichzeitig drängt es sie nach Selbstverwirklichung. Ein spannender Konflikt, dramatisch ausgearbeitet. Dabei wirkt “Das Tiefland” nie kitschig, ergeht sich nicht in den üblichen Klischees.

Ich habe die Einblicke in die indische Geschichte wirklich genossen und ärgere mich, dass ich kein besseres Gedächtnis habe, um mir alles zu behalten. Über die schwierigen politischen Verhältnisse in Indien in den 1960er Jahren war mir bisher nichts bekannt. Ein Aspekt der dieses Buch ganz besonders macht.

Aber auch sprachlich habe ich mich in diesem Buch sehr wohl gefühlt. Obwohl es Anfangs ein wenig schwierig war in die weitschweifige Erzählweise hineinzufinden, genoss ich die schönen Bilder und poetischen Beschreibungen. Das titelgebende “Tiefland” verändert sich im Laufe der Geschichte ebenso wie die Familie von Subhash und Udayan, löst sich nahezu auf. Eine wunderschöne und wirklich traurige Metapher auf die Handlung des Buches.

Wegen der ungewöhnlichen Thematik und den manchmal etwas ausufernden Abschnitten, gerade über die politischen Verhältnisse Indiens, ist dieses Buch vielleicht nicht für jeden Leser geeignet. Es braucht etwas Geduld und Ruhe, entwickelt sich dann aber stetig und spannend. Unterm Strich sind das von mir 4 von 5 Leseratten, ein Buch für neugierige und wissbegierige Leser, die es sicher begeistern wird.

Das Buch in einem Tweet:

“Das Tiefland” von Jhumpa Lahiri, übersetzt von Gertraude Krüger, erschienen im Rowohlt Verlag, 522 Seiten, 10,99 € (Taschenbuch)

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