Rezension: Rainbirds von Clarissa Goenawan


Eins vorab: wer einen Krimi erwartet, wird von “Rainbirds” vielleicht enttäuscht sein. Wer dem Klappentext glaubt und Clarissa Goenawan mit Haruki Murakami vergleicht (starker Tobak!) vermutlich ebenso.*

Mich jedoch hat dieses Buch völlig begeistert. Die Geschichte handelt von Ren Ishido. Dieser erhält kurz nach dem Ende seines Studiums die tragische Nachricht, dass seine zehn Jahre ältere Schwester ermordet wurde. Ren macht sich auf die Reise, aus der Provinz hin in die Stadt, die seine Schwester ihr Zuhause nannte. Die Polizei hat nicht viel über den Mord herausgefunden, das Leben seiner Schwester wurde einfach ausgelöscht. Die Welt dreht sich weiter. Ren versucht zu verstehen was geschah, was seine Schwester in den letzten Tagen und Monaten ihres Lebens erlebte. Er möchte wissen, wer sie war.

Irgendwie erinnerte mich Rainbirds an “Die drei Leben der Tomomi Ishikawa”. Auch da ist ein junger Mann auf den Spuren einer verschwundenen (verstorbenen) Frau unterwegs, begegnet dabei aber auch und vor allem sich selbst. Auch die Atmosphäre ist ähnlich. Rätselhaft und still, keine Action ist nötig um diese Suche spannend zu machen.

“Rainbirds” ist ein Entwicklungsroman, ohne wirklich einer zu sein. Immerhin beginnt die Geschichte mit dem Ende eines Lebens. Aber obwohl auch unser Protagonist keinen rechten Antrieb zu haben scheint, kommt sein Leben im Verlauf der Handlung in neue Bahnen. Die Suche des Protagonisten nach seiner Schwester steht zwar im Zentrum der Erzählung, jedoch verläuft diese Suche nicht zielstrebig und drängend, sondern eher wie nebenbei.

Tatsächlich war ich ein wenig verwirrt. Clarissa Goenawan ist eine indonesische Autorin, das Buch erschien zuerst in den USA im englischen Original. Mit seiner ruhigen Erzählweise, feinen Bildern und diesem gewissen Strahlen, das in japanischer Literatur häufig vorzuherrschen scheint, wirkt “Rainbirds” typisch japanisch.

Die Geschichte dreht sich um ein Leben ohne Wurzeln und um die Pfade, die wir nehmen müssen, um unseren Platz in diesem Leben dennoch zu finden.

*Zum Vergleich mit Haruki Murakami sei noch gesagt, dass “Rainbirds” weniger phantastisch und träumerisch ist, als Murakami. Ansätze in diese Richtung hat diese Geschichte aber dennoch definitiv und vor allem steht, wie bei Murakami, eine Figur im Zentrum, die sich in die normalen Bahnen der (japanischen) Gesellschaft nicht so recht einfügen will.

„Rainbirds“ von Clarissa Goenawan, übersetzt von Sabine Lohman, 320 Seiten, Thiele Verlag

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