Rezension: Broken Hill von Nicholas Shakespeare


Mit nur 125 Seiten hat es Nicholas Shakespeare wieder geschafft, mich zu begeistern. In “Broken Hill” erzählt er die Geschichte eines Attentats am Neujahrstag des Jahres 1915 in Australien. Gleichzeitig beschreibt das Buch ein zentrales Problem unserer Zeit.
Im Örtchen Broken Hill leben die Siedler von der Metallverarbeitung und treiben vor allem Handel mit Deutschland. Durch den zweiten Weltkrieg wird dies erschwert, die wirtschaftliche Situation ist angespannt. Wo es den “weißen” Einwohnern noch relativ gut geht, bekommen die Afghanen, die “Kameltreiber”, die volle Härte der Lage zu spüren. Sie werden gesellschaftlich ausgegrenzt, leben mittel- und chancenlos am Rande der Gemeinde. Als die Erniedrigungen und Anfeindungen überhand nehmen, wollen sich Gül und Molla an den Bewohnern Broken Hills rächen.

Wie aus Gewalt immer neue Gewalt entsteht, aus Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit Aggression wächst, zeigt sich auch heute in furchtbaren Attentaten. Die Geschichte von “Broken Hill” scheint da eine Metapher auf unsere Zeit. Im kleinen Rahmen dieses Ortes führt uns der Autor vor Augen, dass im Konflikt der Kulturen beide Seiten zu den Verlierern zählen.

Nicholas Shakespeare schafft es in dieser kurzen Geschichte die Probleme einer Gemeinschaft, aber auch die individuellen Situationen zweier interessanter Personen zu zeigen: Gül Mehmet ist der eigentlich friedliebende Eisverkäufer und wird im Verlauf der Geschichte zum Attentäter. Rosalind, ein freundliches und weltoffenes Mädchen, gerät durch ihren Kontakt zu “den Afgahnen” in Gefahr.
Anhand der Beziehung dieser beiden Figuren erzählt Nicholas Shakespeare die Geschichte des Ortes. Seine wunderschönen und atmosphärischen Beschreibungen schaffen es in nur wenigen Seiten, dass man die Figuren versteht und mit beiden Seiten leidet. Obwohl die furchtbaren Taten des Buch überschatten gibt es nicht “den Bösen”. Diese neutrale und sachliche, trotzdem nie kühle oder gefühllose Darstellung hat mir wunderbar gefallen.

Für mich schafft es Nicholas Shakespeare auch in diesem Buch wieder anhand einer recht einfachen Geschichte, ohne Nebenhandlungen oder Schnörkel, viel zu erzählen. Noch mehr aber gab mir dieses Buch zu denken. Es sind weniger die Fakten der Handlung, als vielmehr das Gefühl der Verzweiflung in Angesicht dieser traurigen Entwicklungen, das übrig bleibt. Wirklich beeindruckend!

Für mich unterm Strich ganz klar 5 von 5 Leseratten. Ein Lesetipp für ruhige und nachdenkliche Stunden.

5Ratten

Das Buch in einem Tweet:

“Broken Hill” von Nicholas Shakespeare, übersetzt von Georg Deggerich, erschienen im Verlag Hoffmann und Campe, 125 Seiten, 18,00 € (Hardcover)

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