Rezension: Die Geschichte der Baltimores von Joël Dicker


Seit ich damals die letzte Seite von “Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert” gelesen und das Buch endgültig geschlossen habe, wünschte ich mir eine neue Geschichte dieses wunderbaren Autors. Jetzt endlich wurde mit “Die Geschichte der Baltimores” dieser Wunsch erfüllt.

In “Die Geschichte der Baltimores” treffen wir ein bekanntes Gesicht wieder. Auch in diesem Buch  dreht sich alles um Marcus Goldman, den Autor aus Dickers erstem Werk. Trotzdem ist dies nun kein Nachfolger im eigentlichen Sinne und auch von Atmosphäre und Gefühl ganz anders als das erste Buch.
Vielmehr erzählt Marcus Goldman diesmal die Geschichte seiner Familie. Er berichtet von sich und seinen Eltern (den wenig strahlenden Goldmans aus Montclaire) und der Familie seines Onkels, den reichen und erfolgreichen Goldmans aus Baltimore.  Zwischen diesen beiden Ästen der Familie herrscht eine Kluft, wie sie tiefer nicht sein könnte. Im Verlauf der Geschichte erfahren wir einerseits die Ursachen dieser Kluft und durchleben mit Marcus andererseits die Krise, die dadurch in seiner Familie entsteht.

Anders als in “Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert” gibt es diesmal keinen irgendwie gearteten “Kriminalfall”, keine großen Ermittlungen. Dennoch wird auch hier im Verlauf der Geschichte ein Geheimnis stückweise enthüllt. Jedoch ist es diesmal vielmehr so, als wären alle Informationen schon von Anfang an da und klar, die Zeit ist nur nicht reif davon zu berichten.
So entwickelt sich auch in “Die Geschichte der Baltimores“ die Handlung rund um eine dramatische Enthüllung. Die Geschichte ist dabei aber weniger von unerwarteten Wendungen und Überraschungen, sondern von einem tiefen Gefühl von Begeisterung und gleichzeitigem Bedauern geprägt.

Ich musste während der Lektüre unwillkürlich mitschwärmen. Die beinahe kindliche Bewunderung, die immer wieder während der Beschreibungen im Buch durchblitzt, hat es mir einfach angetan. Manchmal wurde dafür zwar ein wenig tief aus den Vollen geschöpft (man muss den Körper eines Protagonisten nicht mehrmals mit einem “griechischen Gott” vergleichen, um den Leser verstehen zu lassen, wie perfekt er ist) aber ich konnte nicht anders als Marcus zu verstehen: die Baltimores sind einfach unvergleichlich!
Nicht weniger beeindruckend ist es dann zu verfolgen, wie sich diese begeisterte Anbetung langsam senkt und auch die Konflikte innerhalb der Familie zum Vorschein kommen.

In diesem Buch “passiert” eigentlich nicht viel, die Spannung und der Sog entwickelt sich allein aus der Veränderung von Atmosphäre und Stimmungen. Das mag manchem Leser zu wenig sein, mich hatte es völlig gefangen. Am Ende ist es vor allem die tragische “Moral” der Geschichte, die haften bleibt und die gesamte Handlung noch einmal in völlig neues Licht taucht.

Es ist ganz klar “Die Geschichte der Baltimores” ist kein zweites “Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert”. Das muss es aber auch gar nicht sein, auf seine Art ist es beinahe ebenso perfekt und psychologisch noch um einiges interessanter. Für mich (knapp, aber verdient) 5 von 5 Leseratten.

Das Buch in einem Tweet drei Tweets:

“Die Geschichte der Baltimores” von Joël Dicker, übersetzt von Andrea Alvermann, Brigitte Große, erschienen im Piper Verlag, 512 Seiten, 17,99 € (eBook)

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