Rezension: Writers & Lovers von Lily King


Als ich ein Kind war, war ich oft für längere Phasen ziemlich immobil. Durch meine Glasknochen hatte ich immer wieder Knochenbrüche, die mich zum Teil auch mal mehrere Wochen im Bett gehalten haben. Schon in der Grundschule habe ich in diesen Phasen angefangen zu Schreiben. Ein kleines, karriertes Heft nach dem anderen habe ich mit Geschichten gefüllt. Ich war Autorin, Illustratorin und Herausgeberin (meine Familie musste sie alle lesen!) in einem. Eigentlich ging es immer um Tiere, die irgendetwas wahnsinnig Spannendes tun. Ich kann mich nicht mehr an die Geschichten erinnern, aber an das Gefühl beim Schreiben: hochkonzentriert und völlig im Moment.

Ich habe ziemlich oft an dieses kleine, hochkonzentrierte Mädchen gedacht, als ich “Writers & Lovers” gelesen habe. Lily King hat dieses Buch genau für mich geschrieben, da bin ich mir sicher. Sie erzählt darin eine Geschichte, die ich genau jetzt, über 20 Jahre später, hören musste.

Die Geschichte dreht sich um Casey, irgendwas Anfang 30, die mit einem kleinen Kellnerinnengehalt versucht ihre horrenden Studienschulden abzustottern. Keine Krankenversicherung, Arbeit rund um die Uhr, Casey steht am Rand der Erschöpfung und versucht dennoch ihren Traum zu verfolgen. In jeder freien Minute – und das sind wirklich nicht viele – schreibt sie an einem Roman. Tag für Tag. Ihr Traum ist es Autorin zu werden, ihre Zweifel sind aber genau so groß wie der Wunsch ihr Buch zu beenden.

Lehrjahre des Schreibens

Nein, ich lebe nicht in der gleichen Situation wie Casey aus “Writers & Lovers”, aber es ist eine Geschichte die so viel zu selten erzählt wird. Kleine, hochkonzentrierten Mädchen bekommen viel zu wenig über erfolgreiche Autorinnen zu hören, sie hören zu wenige Geschichten vom Weg bedeutender Autorinnen zum Erfolg. Es gibt unzählige Romane und Biografien über erfolgreiche männliche Autoren. Autoren, die sich hochgearbeitet haben, dieses eine Buch beendet und schließlich alles erreicht haben.

Lily King hat diese Lücke nun gefüllt und die Geschichte einer schreibenden Frau erzählt. Davon, wie es ist einem Traum nachzujagen, den viele ihrer Weggefährtinnen früher oder später in Schubladen und auf Festplatten verschwinden lassen. Sie erzählt wie man ans Ziel kommen kann (beinahe ins Ziel stolpern kann), auch wenn man zwischendurch gar nicht mehr sicher ist, ob man die Fähigkeit dazu überhaupt hat.

“Das schwerste ist es, jeden Tag wieder, in den Text hineinzukommen, die Membran zu durchstoßen. Das Zweitschwerste ist es, wieder herauszufinden.”

Ich schreibe (noch?) keinen Roman, aber ich habe jeden ihrer Sätze über das Schreiben begeistert markiert, nochmal und nochmal und nochmal gelesen und nachklingen lassen. Für mich ist das Schreiben nach wie vor eine ruhige Ecke, in die ich mich flüchten kann, wenn alles andere zu viel wird. Und so habe ich Lily Kings kleine Wahrheiten aufgesogen wie trockene Erde den ersten Regen.

Glaubst du etwa, du hast etwas zu sagen?

All das wurde inspiriert von der Unverschämtheit eines Mannes. Eines Mannes, der Lily King als sie ihm erzählte, dass sie Schriftstellerin ist vor Jahren erwiderte “Glaubst du etwa, du hast etwas zu sagen?”. Aus dem Trotz dagegen ist dieses Buch entstanden. Eine schönere Antwort kann ich mir ehrlich gesagt nicht vorstellen.

“Ich schreibe nicht, weil ich glaube ich hätte etwas zu sagen. Ich schreibe, weil sich ohne das Schreiben alles noch trostloser anfühlt.”

Manchmal fragte ich mich während der Lektüre, ob sich der Roman verliert. Ob wir zu lang und zu oft mit der Protagonistin im Gastraum eines Restaurants stehen, ängstlich zum Arzt gehen und in einer unangenehmen Beziehung herumtappen. Aber all das ist der Ballast den Casey mit sich trägt. Sie ist eben keine Schriftstellerin, die einsam in einer Berghütte sitzend den nächsten großen amerikanischen Roman schreiben kann (und sie hasst die Frage danach so sehr!), also gehören auch diese Schleifen und Abschweifungen zu ihrem Weg.

Casey erlebt im Verlauf des Romans Zweifel und Ängste, kämpft mit Alltagsproblemen und ist immer wieder mit der Frage konfrontiert, ob ihr Weg der richtige für sie ist. Ihre größte Chance, ein halbjähriges Stipendium für Autor*innen, verliert sie in der Trauer um ihre kürzlich verstorbene Mutter und verschwendet die Zeit schließlich mit einem Mann. Wie schafft sie es dann, trotz dessen an sich zu glauben? Sie macht einfach weiter.

“Mit jemandem die Liebe zu einem Buch zu teilen, stiftet eine ganz eigene, beglückende Art der Verbundenheit.”

Im Roman geht es natürlich auch um die Liebe. Aber die Liebe, die Casey erlebt muss immer zurückstehen hinter der Leidenschaft für das Schreiben. Ihre Liebhaber sind Sparringspartner und Wetzsteine, an denen sie ihre literarischen Krallen schärfen kann. Zwar gerät auch Casey in die Versuchung einfach in ein gemütliches Nest zu schlüpfen, aber die Ruhelosigkeit, die sie empfindet springt uns beim Lesen quasi an. Ich verrate also nicht zu viel, wenn ich sage, dass in „Writers & Lovers“ die Schreiber mehr zählen als die Liebhaber.

Ich hoffe ich kann bald mit vielen anderen Leser*innen die Liebe zu diesem Buch teilen. Die Begeisterung fürs Lesen und schreiben, die Zweifel und Ängste, Hoffnungen und Träume verbinden ja so viele von uns.

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„Writers & Lovers“ von Lily King, übersetzt von Sabine Roth, erschienen im C.H. Beck Verlag, 319 Seiten

2 Comments

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  1. 2
    Livia

    Hallo liebe Alexandra

    Das ist eine tolle Rezension zu einem Buch, das ist sonst gar nicht beachtet hätte, das Cover fesselt mich nicht und den Titel empfinde ich ehrlich gesagt als ein wenig abgedroschen… Um so besser, dass sich dahinter so eine packende Geschichte verbirgt und vielen lieben Dank, dass du mich darauf aufmerksam gemacht hast.

    Alles Liebe
    Livia

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