Der Sinn des Lebens, unterschätzte Philosophinnen und Klippschliefer


Wir alle tun es ständig. Bei Gesprächen über den Gartenzaun (oder in Sozialen Netzwerken), beim Nachrichten schauen und manchmal allein unter der Dusche.

Was?

Na wir philosophieren! Wir denken über gute und schlechte Taten nach, fragen uns nach dem Sinn des Lebens oder kauen an den Fallstricken unserer Realität herum.

Sobald Kinder Fragen formulieren können, stellen sie Fragen zu den Zusammenhängen des Lebens. Genau das ist Philosophie. Doch die Philosophie wird viel zu oft noch als abgehobene Wissenschaft von versnobten alten Männern gezeigt. Als eine Wissenschaft, die mit unserem Alltag in etwa so viel zu tun hat, wie das Paarungsverhalten der südafrikanischen Klippschliefer. Nämlich nichts.

Darüber können der Klippschliefer und ich aber nur müde lächeln. Denn Philosophie ist etwas, das unser Leben komplett durchzieht und unserem Geist Orientierung und Futter gibt.

Das ist mir in den letzten Wochen wieder besonders bewusst geworden. Ich habe mich mit drei Büchern beschäftigt, die Philosophie abseits des männlichen Kanons auf völlig unterschiedliche Weise vorstellen. Und ich habe es unglaublich genossen.

Alles begann, als ich durch “Philosophinnen – Von Hypatia bis Angela Davis: Herausragende Frauen der Philosophiegeschichte” in der Philosophie abgetaucht bin.

Das Buch entstand aus einem Twitter Rant. Die ehemaligen Philosophiestudentinnen beschwerten sich darüber, dass es einfach keine Literatur über Philosophinnen gibt. Es existieren zahlreiche Bücher über bedeutende Philosophen (bewusst nicht gegendert), aber dieser Kanon ist üblicherweise rein männlich. Zumeist auch rein weiß.

Viele junge Frauen, die in der Philosophie forschen und arbeiten, teilten die Wut der Studentinnen und so entstand “The Philosopher Queens” mittels eines Crowdfundings.

Der mairisch Verlag hat nun dieses Buch in deutscher Übersetzung herausgebracht und ich kann nur sagen: Yeah! Es wurde Zeit. Frauen wurden in der Geschichte selten als Philosophinnen oder Expertinnen bezeichnet. Sie galten im besten Fall noch als „Aktivistinnen“, wurden (und werden) im Zweifel aber einfach ignoriert.

Nun haben in diesem Buch 20 herausragende Philosophinnen der Gegenwart, beschäftigt in Forschung und Lehre, über 20 bedeutende Philosophinnen der Geschichte geschrieben.

Die Texte lesen sich kurzweilig und spannend, sie geben eine historische Einordnung über die jeweilige Person und stellen deren philosophische Themen kurz und verständlich zusammengefasst vor. Dabei bewegen wir uns einmal durch die Zeitgeschichte und quer über den Globus. Das hat mich besonders gefreut, denn schon im Vorwort betonen die Herausgeberinnen, wie fehlende Diversität der Philosophie schadet. Immerhin sind es Stimmen und Perspektiven, die dadurch verloren gehen.

Interessant ist auch, dass einige Philosophinnen durchaus kritisch betrachtet werden. Es geht um die Würdigung ihrer Leistungen, aber das passiert nicht unreflektiert sondern mit Bedacht.

Und weil die wenigen Seiten für die jeweiligen Persönlichkeiten und ihre Arbeit kaum ausreichen, sind am Ende jeden Kapitels sowohl die genauen Quellen der Autorinnen als auch weiterführende Lektüreempfehlungen aufgelistet. Ein toller Fundus, der einfach dazu einlädt, sich weiter mit dieser Thematik zu beschäftigen.

Das Buch hat mir unglaublich viel Spaß und Lust auf die Philosophie gemacht. Es ermutigt, sich mit Philosophie zu beschäftigen und auch die Philosophie im Alltag zu entdecken. Denn die Arbeiten der vorgestellten Philosophinnen beschränken sich nicht auf klassische Themen der Philosophie, sondern drehen sich zum Teil auch um Datenschutz, Genforschung und Tierethik.

Einen ganz anderen Weg geht mein nächstes Buch, “Der andere Mann” von Katja Kulin. Es erzählt die Geschichte der Beziehung von Simone de Beauvoir und dem Schriftsteller Nelson Algren. Damit greift sich das Buch vier Jahre aus dem Leben der bekannten Philosophin heraus und stellt sie sehr persönlich vor.

Simone de Beauvoir ist eine der wenigen Frauen, die im klassischen Kanon durchaus vorkommen. Auch wenn ihre Bedeutung “an der Seite von Satre” immer ein wenig heruntergespielt wird. Ihre philosophische Grundlagenarbeit jedoch, die sich hinter der bedeutender Männer keineswegs verstecken muss, wird aber in diesem Buch nur am Rande thematisiert.

Denn sie wird in diesem Buch nun sehr privat (für meinen Geschmack ein wenig zu privat) porträtiert. Das soll die Philosophin einerseits nahbarer machen, andererseits ihre persönliche Entwicklung hin zur Feministin widerspiegeln. Im betrachteten Zeitraum sah und verhielt sie sich (laut ihren Briefen) noch nicht wie die Frauenrechtsaktivistin, als die sie bekannt wurde.

Einerseits ist es spannend wie die Autorin die Ambivalenz in Simone de Beauvoirs Memoiren und Briefen herausgearbeitet hat. Andererseits hoffe ich, dass Leser*innen sich nicht auf diese Perspektive beschränken. Es ist eher ein netter, zeitweise ein bisschen kitschiger, Roman für nebenbei, der zu einer tieferen Beschäftigung mit der Philosophie von Simone de Beauvoir einladen kann.

Nach zwei sehr zugänglichen, sehr unterhaltsamen und das Thema eröffnenden Büchern, muss ich sagen dass “Feuer der Freiheit” von Wolfram Eilenberger meine Begeisterung ein wenig dämpfte.

Ich mag es, wenn komplexe Themen einfach und (auch sprachlich) eingängig erklärt werden. Mein Lieblings-Schreibratgeber von Wolf Schneider sagt in etwa “richtig gut schreiben kann nur, wer schwierige Inhalte leicht darstellen kann”. Das gelingt in “Feuer der Freiheit” leider nicht durchgängig.

In diesem Buch werden vier Philosophinnen und ihre Lebenswege zwischen 1933 und 1943 vorgestellt: Simone de Beauvoir, Simone Weil, Ayn Rand und Hannah Arendt. Sie alle haben in dieser historisch düsteren Zeit sowohl persönlich als auch im Hinblick auf ihre Philosophie bedeutendes erlebt und bewegt.

Nur leider habe ich auf Grund der gewählten Form in der Lektüre immer wieder den Faden verloren. Die vier Philosophinnen werden nicht nacheinander sondern parallel vorgestellt. Wir wechseln in vielen kurzen Unterkapiteln von der einen zur anderen. So kam es immer wieder dazu, dass ich ziemlich überlegen musste an welchem Punkt wir eine Figur verlassen haben, um mich in ihrem Lebensweg neu zurechtzufinden. Manchmal konnte ich die Handlung eines Abschnitts auch gar nicht direkt zuordnen. Bei welcher Simone sind wir gerade?

Der Titel stellt einen interessanten Mittelweg zwischen meinen beiden anderen vorgestellten Büchern dar: es stellt die Philosophinnen durchaus biografisch nah und persönlich vor, geht aber auch auf ihre Arbeiten sehr direkt ein. Das hätte mir viel Spaß machen können, wenn es ein bisschen weniger sperrig wäre.

Für die weitere Beschäftigung mit dem Thema ist “Feuer der Freiheit” aber dennoch geeignet. Ein Buch, für das man sich mehr Zeit nehmen und nach einem für sich passenden Leserhythmus suchen muss.

 

“Philosophinnen – Von Hypatia bis Angela Davis: Herausragende Frauen der Philosophiegeschichte” herausgegeben von Rebecca Buxton und Lisa Whiting, übersetzt von Roberta Schneider, Daniel Beskos, Nefeli Kavouras, erschienen im mairisch Verlag, 204 Seiten

“Der andere Mann – Die große Liebe der Simone de Beauvoir” von Katja Kulin, erschienen im Dumont Buchverlag, 330 Seiten

“Feuer der Freiheit – Die Rettung der Philosophie in finsteren Zeiten. 1933 – 1943” von Wolfram Eilenberger, erschienen im Klett-Cotta Verlag, 363 Seiten

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