Pssst, die Katze schläft!


Ich hab ein bisschen Angst, dass “Rutchen schläft” irgendwann mit Matthias Schweighöfer verfilmt wird. HÖRZU sagt dann darüber “ein Film, der ans Herz geht” und irgendwann müssen wir den Film am Mittwochabend bei SAT1 sehen.

Keine schöne Vorstellung, denn eigentlich kann diese Geschichte mehr. Ja, es werden einige Klischees erfüllt. Aber es gibt interessante Aspekte der Hauptfiguren, die in diesem Genre nicht so häufig zu finden sind.

Worum geht’s?

Der Roman erzählt von Georg und Frau Lemke. Georg ist 40, introvertiert und unsicher, hat in der älteren Dame aber eine Konstante und Freundin gefunden. Jedes Jahr feiert Georg seinen Geburtstag mit ihr. Sie ersetzt ihm die Familie. Doch nun will Frau Lemkes Sohn seine Mutter zu sich nach New York holen, die Freundschaft droht auseinandergerissen zu werden. Doch Frau Lemke sagt erst zu umzuziehen, wenn ihre Katze Ruthchen irgendwann gestorben ist. So weit, so Klischee.

Dass Ruthchen dann irgendwann doch nicht mehr nur schläft, sondern eine Tierpräparatorin Abhilfe schaffen muss, passt auch ins Bild.

Was ist bemerkenswert?

Aber Georg als Figur ist interessant. Er wirkt auf der einen Seite wie einer dieser üblichen introvertierten aber schrullig-liebenswerten Nerds, die wir aus solchen Geschichten kennen. Er hat aber noch andere, wesentlich eckigere, unangenehme Facetten.

Er hat mit seiner Exfreundin eine traumatische Beziehung mit einigen Schicksalsschlägen erlebt, von denen beide schwer getroffen wurden. In der Beziehung zu seiner Freundin wirkt Georg aber auch toxisch. Anders kann ich das nicht nennen. Er geht fremd, hat One-Night-Stands. Aber vor allem kann er später mit der Trennung nicht umgehen und überrennt seine Exfreundin mit Anrufen.

Die Spannung zwischen dem fürsorglichen und sympathsichen Georg im Verhältnis mit Frau Lemke und diesem Macho, war für mich interessant zu lesen. Leider wird sein Verhalten wenig reflektiert, aber es entwickelt sich interessant. Wir lernen Georg nicht sofort von dieser Seite kennen, sondern werden ihm Schritt für Schritt immer Näher geführt. Wie im echten Leben halt. So habe ich beim Lesen zuerst Sympathie und Mitleid, später Abneigung für diese Figur empfunden. Daraus hätte man noch viel machen können.

Und insgesamt?

Aber auch die anderen Figuren sind spannend aufgebaut. Sie versuchen nicht in den normalen Familienkonzepten zu leben, lügen und betrügen. Sie sind unsicher und egoistisch, gleichzeitig liebevoll zueinander. In der Mitte, in den Krisen hat der Roman seine Stärken. Da gibt es (gerade eben durch die Figuren) interessante Konflikte und Entwicklungen. Einzig Frau Lemke erfüllt so ziemlich ihre Rolle der netten alten Dame. Auch sie hat eigentlich Charaktereigenschaften, die wesentlich weniger gewöhnlich und “nett” sind, die kommen aber wenig zum Tragen.

Gegen Ende wurde mir alles dann zu idyllisch und harmonisch. Irgendwie hat man dann doch wieder die sonnigen Schlussbilder des SAT1-Films im Kopf.

Ein Buch das ich ganz gern gelesen habe. Nicht überragend, aber gut geschrieben, mit einigen humorvollen und wesentlich mehr ernsten Abschnitten als ich erwartet hatte. Das hatte schon Potenzial.

Eine Notiz am Rande

Übrigens hätte ich mir für das Buch wirklich eine Content Note oder Triggerwarnung gewünscht. Denn obwohl die Geschichte so locker-flockig klingt, bringt sie einiges mit was man zumindest erwähnen könnte. Es geht um Fehlgeburten und unerfüllten Kinderwunsch, Erbrechen wird beschrieben und tote Tiere, denn natürlich stirbt unter anderem Ruthchen, die Katze.

 

„Ruthchen schläft“ von Kerstin Campbell, erschienen im Kampa Verlag, 220 Seiten. Werbung: Wenn du mich unterstützen möchtest, kannst du das Buch (oder beliebige andere) über meine Partner genialokal, Hugendubel, Bücher.de kaufen. Folge dafür einfach den Links, Danke!

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