Ciao


“Ciao” von Johanna Adorján handelt von einem Mann, der sich schleichend in die Bedeutungslosigkeit verabschiedet. Hans Benedek, einst gefeierter Feuilletonist, hat es sich gemütlich eingerichtet in seinem Leben. Er schreibt für eine große Zeitung, zwar ist er nicht mehr sooo gefragt wie zuvor, aber lebt halbwegs am Puls der Zeit. Oder erweckt zumindest erfolgreich den Anschein, dass er das tut. Benedek ist ein Typ, der hofft es noch zu schaffen…

„Also bis zur Rente, ohne größere Umstellung.“

Einer, der immer haarscharf nicht aktuell ist. Der mithalten will, aber es einfach nicht mehr so richtig kann. Das geht von Menschen, die er nicht mehr kennt beziehungsweise versteht, bis zu Themen und Debatten, die ihm entgleiten.

Entsprechend absurd wirken aus seiner Perspektive beschrieben auch aktuelle Entwicklungen wie zum Beispiel Bemühungen um mehr Diversität oder Feminismus. Das liest sich manchmal witzig und fast so comicmäßig wie das Cover es schon andeutet.

Ein bisschen zu nachsichtig ist mir allerdings der Blick auf Benedek. Er wird so liebenswert, unbeholfen dargestellt. Als Mann, der gar nicht mehr weiß “ob man denn noch flirten darf”. Und ehrlich? Ich kann das nicht mehr hören. Klar, hier ist das ins Satirische überzeichnet. Aber der gewollt mitleidige Blick auf diesen Typen war mir zu lasch. Wenn Übergriffigkeit und Überempfindlichkeit verwechselt werden, bin ich leider raus.

Der Roman liest sich dennoch kurzweilig und macht stellenweise schon Spaß. Nur eine mögliche Schlussfolgerung bleibt schwammig. Im Roman will Benedek sich über ein großes Interview mit einer jungen Feministin profilieren. Das geht, wenig überraschend, daneben. Auf den großen Knall, das große “Aha!” habe ich allerdings vergeblich gewartet. Es ist dann doch eher ein leises “Ciao!” mit dem sich Protagonist und Geschichte verabschieden.

Ende des Feuilletons

Ein Randthema des Romans, neben dem “nicht mehr mitkommen” bei gesellschaftlichen Veränderungen, ist das Ende des Feuilletons. Da sitze ich nun als Bloggerin und lese (natürlich ebenfalls ziemlich überzeichnet), wie diese Form des Journalismus um Bedeutung ringt.

Das Feuilleton mag keine Blogger*innen. Das zumindest legen die Beiträge nahe, die dort in schöner Regelmäßigkeit erscheinen. Wir sind zu subjektiv, emotional und sagen häufig “ich” in unseren Rezensionen. Uns fehlen sowohl der Anspruch auf die Allgemeingültigkeit unserer Bewertungen, als auch der literarische Anspruch. Oder so.

Mir persönlich sind Feuilletonist*innen ehrlich gesagt ziemlich egal. Wir verfolgen die selben Ziele. Wir möchten Menschen gute Bücher näherbringen und vor nicht so guten Büchern warnen. Nur unsere Zielgruppen sind unterschiedlich.

Wer sich gern bei mir farbenfrohe Fotos von Büchern, Kaffeetassen und Katzen anschaut und meine Buchtipps mag, liest sich die Rezensionen in FAZ und Co vermutlich eher nur sporadisch durch. Die Fans des Feuilletons wiederum werden bei mir selten Likes hinterlassen.

In “Ciao” habe ich nun die Geschichte eines Feuilletonisten gelesen, der von seiner eigenen Wichtigkeit so überzeugt ist, dass er gar nicht mitbekommt, wie er irrelevant wird. Irgendwie spannend.

 

“Ciao” von Johanna Adorján, erschienen im Verlag Kiepenheuer & Witsch, 269 Seiten. Werbung: Wenn du mich unterstützen möchtest, kannst du das Buch (oder beliebige andere) über meine Partner genialokal, Hugendubel, Bücher.de kaufen. Folge dafür einfach den Links, Danke!

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