Die sieben Männer der Evelyn Hugo


Erinnert ihr euch noch an „Daisy Jones & The Six“? Im Stil einer Reportage wurde in diesem wunderbaren Roman die Geschichte einer fiktiven Künstlerin und ihrer Band erzählt. So realistisch, dass ich wirklich mehrmals recherchiert habe, ob es sie nicht doch gab. (Nein, es gab weder Künstlerin noch Band. Die Autorin hat ihre Erzählung nur ganz fein in reale Geschehnisse eingewoben und sich durch die Geschichte von Fleetwood Mac inspirieren lassen.)

Jedenfalls, die Illusion, dass es sich um eine echte Biografie handelt, war bei „Daisy Jones & The Six“ noch deutlich stärker. Aber auch in „Die sieben Männer der Evelyn Hugo“ bringt uns Taylor Jenkins Reid wieder die Lebensgeschichte einer facettenreichen, aber leider fiktiven Figur näher.

Eskapismus mit Komplexität

Diesmal waren der Autorin Bücher über Ikonen des großen Hollywood ein Vorbild. Evelyn Hugo scheint eine Mischung aus Jody Garland, Marilyn Monroe und anderen Filmikonen der 190er Jahre zu sein. 

Im Roman erzählt diese Ikone, mittlerweile deutlich betagt, einer jungen Reporterin ganz ungekünstelt von ihrem Leben. Endlich, nach Jahrzehnten im Rampenlicht, will sie ihre wahre Lebensgeschichte enthüllen. Denn obwohl sie immer in der Öffentlichkeit stand, hat sie das Bedürfnis das Bild zu korrigieren, das die Welt sich von ihr gemacht hat. 

Wir lesen also zum einen Evelyns Gespräche mit der jungen Journalistin, aber verfolgen als „Geschichte in der Geschichte“ in vielen Kapiteln ganz direkt Evelyns Erlebnisse.

In beiden Ebenen handelt der Roman wieder von Frauen und Ruhm. Diesmal genauer gesagt von den diskriminierenden Strukturen hinter dem schön schillernden Hollywoodprunk und Facetten öffentlicher Persönlichkeiten. Weil Schauspieler*innen immer mehrere Charaktere zu sein scheinen: ihre wahren Persönlichkeiten, die fiktiven Figuren, die sie verkörpern, und das Image, welches sie vor der Öffentlichkeit zeigen wollen. 

Ich verstehe nicht, warum das Buch im englischen Original auf Instagram und Tiktok so einen Hype ausgelöst hat, aber der Ullstein Verlag es nur im Taschenbuch herausgebracht hat. Naja, egal. Vielleicht sollten wir das als Chance sehen, damit viele Leser*innen sofort günstig an diese tolle Geschichte kommen!

Denn irgendwie ist „Die sieben Männer der Evelyn Hugo“ genau das, was wir alle gerade brauchen: Eskapismus, eine Flucht in eine glamourösere, friedlichere Wirklichkeit und starkes Empowerment von mixed PoC, queeren und bisexuellen Figuren… ich mein?! Wow!

Empowerment

Biografien großer Frauen werden oft von ihren Männern überschattet. Wenn man über Lee Miller lesen will, wird stattdessen über Man Ray gesprochen. Statt Frida Kahlo steht viel zu oft Diego Rivera im Mittelpunkt. 

Taylor Jenkins reid schafft es, dieses Prinzip mit einem Augenzwinkern umzukehren. Im Titel des Romans werden die sieben Ehemänner von Evelyn Hugo zwar noch ins Zentrum gestellt. Aber die Erzählung selbst lässt keine Fragen darüber aufkommen wer in dieser Geschichte die Hauptfigur ist. 

Evelyn Hugo hat ihre Männer benutzt und verführt, sie durften sie einige Jahre ihres Lebens begleiten, aber nie eine Hauptrolle einnehmen.

 

„Die sieben Männer der Evelyn Hugo“ von Taylor Jenkins Reid, übersetzt von Babette Schröder, erschienen im Ullstein Verlag, 464 Seiten. Werbung: Wenn du mich unterstützen möchtest, kannst du das Buch (oder beliebige andere) über meine Partner genialokal, Hugendubel, Bücher.de kaufen.

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