Der Stoff, aus dem die Tränen sind


„Der Stoff, aus dem die Tränen sind“ von Alexandra Kleeman war für mich eine literarische Überraschung und endlich endlich endlich mal wieder ein Buch, das ich einfach nicht zur Seite legen konnte.

Der Roman handelt von Patrick, der glaubt als Autor endlich den großen Durchbruch geschafft zu haben: sein neuestes Werk wird in Hollywood verfilmt. In der Hauptrolle Cassidy, eine wahre Ikone. Um den Deal perfekt zu machen, hat er sich vertraglich gesichert, während der Dreharbeiten als Regieassistent eingestellt zu werden. 

Patrick glaubt wichtige Entscheidungen treffen und den Film maßgeblich beeinflussen zu dürfen. Er möchte in Hollywood „einen Fuß in die Tür“ bekommen. Im Prinzip ist er aber nur ein billiger Laufbursche und später Chauffeur für Cassidy. Bei dieser Enttäuschung bleibt es nicht. 

Patrick merkt schnell, dass hinter der beeindruckenden Fassade von Hollywood nicht viel Bestand hat. Die Produzenten des Films scheinen mehr an ihren eigenen Geschäften interessiert, eine unheimliche neue Form von Alzheimer greift in Hollywood um sich und das seltsame künstliche Wasser „WAT-R“ lässt ihn stets durstig zurück. 

Ich habe die Charaktere im Roman geliebt. Endlich wieder habe ich Hauptfiguren gefunden, denen Unsicherheiten und Fehler zugestanden werden. Figuren mit denen man sich identifizieren kann, weil man selbst manchmal ebenso planlos durchs Leben stolpert. Gerade Patrick mit seinen peinlichen Versuchen irgendwie Eindruck zu machen, war sehr unterhaltsam zu verfolgen. 

Er orientiert sich an einer Mischung aus Men’s Health-Tipps und Verschwörungsmythen aus Internet-Foren. 

Es ist, als würde einem die Geschichte beim Lesen zwischen den Fingern zerrinnen. Man versucht sich krampfhaft an der Realität festzukrallen und sie gleitet nach und nach davon. Ich habe es geliebt, wie Symbole und Andeutungen im Roman auftauchen, man sich aber zum Teil selbst nicht mehr sicher ist, was man da gelesen hat. Es ist wie ein Rausch.

In „Der Stoff, aus dem die Tränen sind“ geht es um Klimakrise, Artensterben, Verschwörungsmythen, die Privatisierung und Kommerzialisierung von lebensnotwendigen Gütern wie Wasser sowie unseren Umgang damit. Und ein bisschen um den falschen Glanz von Hollywood. Wie kann man all das als Mensch psychisch verarbeiten? Ist es nicht eine gesunde Reaktion zu trauern, wenn die Schönheit dieser Welt kaputtgeschlagen wird und langsam stirbt? 

Keine ganz alltägliche Lektüre und sicher nicht für alle Leser*innen geeignet, aber wer einen Faible für abgefahrene Erzählstile und Figuren hat, wird das hier sicher lieben.

 

„Der Stoff aus dem die Tränen sind“ von Alexandra Kleeman, übersetzt Anna-Christin Kramer und Christiane Sipeer, erschienen im Kein & Aber Verlag, 400 Seiten.

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