Rezension: Heute beginnt der Rest des Lebens von Marie-Sabine Roger


Trotz ausführlicher Lektüre der Verlagsvorschauen wäre mir das neue Buch von Marie-Sabine Roger beinahe entgangen. Ich kann mir immer noch nicht erklären, wie das passieren konnte. Umso größer war meine Begeisterung, als ich von „Heute beginnt der Rest des Lebens“ erfuhr. Da die Bücher dieser Autorin immer kleine Schätze sind, wollte ich es diesmal ganz bewusst ganz langsam lesen, lange genießen… es hat nicht geklappt. An nur einem Tag inhalierte ich die Geschichte von Mortimer und war danach so glücklich und auch ein bisschen traurig.

9783455600209„Heute beginnt der Rest des Lebens“ von Marie-Sabine Roger
Atlantik Verlag
250 Seiten
20,00 € (Hardcover)

In Mortimers Familie sterben alle Männer an ihrem 36. Geburtstag, um 11 Uhr vormittags um genau zu sein. Seinen Urgroßvater, Großvater und Vater traf dieses Ereignis jeweils recht unpassend und unvorbereitet. Meist vor dem Geburtstagskuchen (11 Uhr ist auch eine wirklich ungünstige Zeit zum Sterben). Mortimer hingegen ist bestens vorbereitet, legt sich an seinem 36. Geburtstag im Beerdigungsanzug aufs Sofa und… stirbt nicht. Als sich zeigt, dass weder Kalender noch Uhr täuschen, merkt Mortimer, dass er die Chance hat ein Leben zu führen, das er für sich längst als beendet glaubte.

Die Bücher von Marie-Sabine Roger sind eigentlich eher geschriebene Bilder, als große Romane. In ihren kurzen Geschichten erzählt sie meist von den einschneidenden Erlebnissen im Leben ihrer Protagonisten. Kurze Ausschnitte vom Aufbruch, vom Sich-selbst-finden oder eben vom Nicht-sterben. Da die Geschichten meist sehr reduziert sind, stehen weniger die reine Handlung, als vielmehr die grandios schrillen, skurrilen Protagonisten im Vordergrund. Auch hier sind es vor allem Mortimer sowie seine Freunde Paquita und Nassardine, die diese Geschichte tragen.
Mortimer der eigenbrötlerische Pechvogel mit dem schweren Familienschicksal war mir sofort sympathisch. Die Geschichte wird aus seiner Perspektive erzählt, wir erfahren viel von ihm, seiner Familiengeschichte und seinen Ängsten. Der humorvolle und augenzwinkernd-kluge Ton seiner Erzählung hat mir besonders gefallen. In Rückblenden und Abschweifungen führt er uns durch die Geschichte und erzählt nebenbei auch mal die Liebesgschichte seiner Freunde, in einem Kapitel das treffend mit „Kurze Abschweifung“ übertitelt ist.
Paquita und Nassardine sind es dann auch, die in dieser Geschichte den absoluten Kontrast zu Mortimer bilden. Sie sprühen vor Lebendigkeit und Plänen, leben im jetzt und träumen dennoch vom später. Die beiden sind so witzig und völlig überzeichnet dargestellt, das sie einerseits schon unrealistisch verrückt wirken, aber eben auch genau die richtige Portion Humor in diese Geschichte tragen.
Das Buch hätte sich schnell zu meinem Lieblingsbuch dieser Autorin mausern können: Setting und die Personen sind für meinen Geschmack perfekt. Auch sprachlich macht Marie-Sabine Roger einfach alles richtig. Humor und kleine Weisheiten wechseln sich ab, alles hat Atmosphäre, kein Satz ist Zufall. Sie zeichnet wunderschöne Bilder in meinem Kopf.
Der einzige echte Wermutstropfen an dieser Geschichte ist für mich, dass der titelgebende „Rest des Lebens“ viel zu kurz zur Sprache kommt. Es ist zwar üblich für diese Autorin, dass wir die Protagonisten meist verlassen, wenn sie sich auf den (neuen) Weg machen, die Andeutungen über ihre Ziele waren sonst aber konkreter, detaillierter ausgearbeitet. Hier habe ich mich ein bisschen plötzlich aus der Geschichte geschubst gefühlt, der kleine Blick durchs Schlüsselloch hat mir einfach gefehlt.
Insgesamt bin ich wieder sehr verliebt in dieses Buch und kann Marie-Sabine Roger nach wie vor jedem empfehlen, der Literatur für die Seele sucht. „Heute beginnt der Rest des Lebens“ war nur einfach nicht ganz so perfekt wie die übrigen Bücher dieser Autorin, deswegen gibt’s “nur” 4 von 5 Leseratten.

Das Buch in einem Tweet: Was passiert, wenn man unerwartet weiterleben muss erzählt „Heute beginnt der Rest des Lebens“, Seelenfutter mit Humor und viel Liebe!

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