Rezension: Das Gehirn meiner Großmutter von Tanya Byron
Liebe Unentschlossene, dies wird eine typische „einerseits, andererseits“-Rezension. Entweder hilft euch das enorm, weil genau eure Prioritäten entweder zum einerseits oder zum andererseits gehören… oder es hilft euch gar nicht und ihr seid am Ende so unentschlossen wie ich. Sorry dafür!
„Das Gehirn meiner Großmutter“ von Tanya Byron
btb Verlag
320 Seiten
19,99 € (Hardcover)
In „Das Gehirn meiner Großmutter“ erzählt Tanya Byron von ihrem Werdegang als klinische Psychologin. Von einem Verbrechen an ihrer Großmutter angespornt, möchte die junge Frau die Tiefe (manchmal eben auch Abgründe) der menschlichen Seele ergründen und Menschen helfen, die auf ihrem Weg verloren zu gehen drohen.
Im Buch berichtet die Autorin anhand der verschiedenen Etappen ihrer Ausbildung von verschiedensten seelischen Extremsituationen und Krankheitsbildern. Von einem aggressiven Soziopathen über essgestörte Kinder, Drogenabhängige und einsame Hausfrauen ist so ziemlich jedes Milieu und jede Altersklasse in ihrem Patientenkreis vertreten. Es wird wiederholt betont, dass es sich um fiktive Fälle, angelehnt an wahre Erlebnisse handelt. Die Beschreibungen wirken auch ohne hundertprozentig realistischen Hintergrund wirklich authentisch. Leider fehlen aber Details und Schlussfolgerungen, das „warum“ mancher Erkrankung oder Therapie wurde mir zu flach gestreift oder auch mal ganz weggelassen.
Dieser Eindruck wird noch durch die häufigen Wiederholungen und Rückgriffe auf die vergangenen Kapitel verstärkt. Statt sich auf die neuen Themen bzw. Patienten zu konzentrieren, wird in jedem Kapitel ein Resümee der bisherigen gefasst, wieder und wieder.
Vielleicht liegt dies in dem Punkt begründet, dass dieses Buch deutlich auf die Sicht des Therapeuten fokussiert ist und diese möglichst realistisch transportieren soll. Viele Fälle begleiten die junge Frau über einen längeren Zeitraum. Dieser Aspekt wird toll abgedeckt und gerade die Startschwierigkeiten, Vorbehalte und Lernprozesse der Autorin haben mich beim Lesen sehr beeindruckt.
Dahingehend ist die Inhaltsangabe des Buches vielleicht einfach ein wenig irreführend. Auf Basis der Informationen zum Buch hatte ich erwartet mehr über Gewaltverbrechen, psychologische Störungen und ihre Hintergründe zu erfahren. Tatsächlich handelt es sich eher um ein Buch, das den schwierigen Weg zu einem guten Psychologen beschreibt.
Insgesamt hat mich das Buch nur mäßig begeistert. Die einzelnen Kapitel sind flüssig zu lesen und mit jeweils interessanten Fällen auch wirklich spannend. Die häufigen Wiederholungen und die fehlenden Details haben mich enttäuscht. Ein Buch für Leser, die sich für die therapeutische Sicht verschiedener Störungen oder allgemeine, recht oberflächliche Beschreibungen dieser Krankheitsbilder interessieren. Insgesamt vergebe ich unentschlossene 3 von 5 Leseratten.
Das Buch in einem Tweet: „Das Gehirn meiner Großmutter“ gibt Einblicke in den Alltag eines Psychologen, bleibt aber bezüglich der Erkrankungen an der Oberfläche.
+ There are no comments
Add yours