Rezension: Der Untergrundmann von Ross Macdonald
Wer schon meine anderen beiden Rezensionen gelesen hat, weiß dass ich mittlerweile eine große Begeisterung für Ross Macdonald hege (hier geht’s zur Rezension von “Schwarzgeld” und hier zu “Gänsehaut”). Auch “Der Untergrundmann” habe ich sehr gern gelesen.
Zufällig gerät der Ermittler Lew Archer zwischen die Fronten eines Sorgerechts- und Beziehungsstreits zweier junger Eltern. Als der aufgebrachte Vater den kleinen Sohn dann zu entführen scheint, sichert Archer der verängstigten Mutter zu sich um die Sache zu kümmern. Während ein Waldbrand die Küste Kaliforniens bedroht, macht sich Archer auf die Suche nach dem verlorenen Kind und spürt dabei auch noch einige Dramen der Vergangenheit auf.
Das zentrale Thema des Buches, welches sich in verschiedensten Varianten und zeitlichen Bezügen wiederholt, sind kaputte Beziehungen und Dreiecksbeziehungen. Die Geschichte beginnt mit dem Streit des jungen Paares, welcher beinahe symbolisch für das steht, was da noch kommt. Denn im Verlauf der Handlung tauchen verschiedene zerrüttete Beziehungen auf, die Haltung vieler Figuren erklärt sich in ihrem Kummer und ihrer Liebe. Toll gelungen ist auch, dass sich alle Teile dieses Mosaik der Beziehungen zu einem spannenden Bild verbinden. Auch vermeintliche Randfiguren hängen doch eng mit dem verschwinden des Jungen und den Tragödien der Vergangenheit zusammen.
Ich mag die Romane von Ross Macdonald, weil sie trotz ihres Alters einen schönen Blick auf die Gesellschaft werfen. Schon in diesem Buch aus dem Jahr 1971 geht er auf antifeministische Haltungen ein und lässt seinen Ermittler Lew Archer diese gründlich zurückweisen. Obwohl unser sympathischer Ermittler hin und wieder die Züge eines Frauenhelds (oder zumindest Frauenschwarms) hat, sind ihm Respekt und Achtung wichtig. In diesem Buch sind die Frauen meist tough und unberechenbar, echt starke Charaktere eben. Interessant ist, dass mir gerade dieser Aspekt in “Dornröschen”, das gut zwei Jahre später entstand, deutlich negativ auffiel. Doch dazu in der nächsten Rezension mehr, das Buch scheint sowieso aus der Art geschlagen zu sein.
Kurz und knapp kann man sagen, dass “Der Untergrundmann” wieder ein spannender Krimi eines wirklich begabten Autors ist. Ich liebe seinen Stil, seine starken Metaphern und den feinen Aufbau der Romane. Für mich ist es immer wieder schön zu verfolgen, wie Ross Macdonald es ohne den üblichen 0-8-15 Mordfall schafft in seinen Geschichten durchgehend Spannung aufzubauen. Und so viel sei gesagt: kriminell wird es trotzdem.
“Der Untergrundmann” von Ross Macdonald, übersetzt von Karsten Singelmann, erschienen im Diogenes Verlag, 368 Seiten, 16,00 € (Paperback)
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