Rezension: Heartware von Jenny-Mai Nuyen
Die ideale Zielgruppe für “Heartware” ist vielleicht weiblich, hegt eine gewisse Technikaffinität und mag unkitschige Liebesgeschichten. Oder sie ist männlich mit einem leichten Hang zu Romantik und Action.
Das klingt nach einer ziemlich abgefahrenen Mischung? Ist es auch! “Heartware” ist ein Technikthriller mit einer rebellisch-romantischen Liebesgeschichte. Ein Buch, dass sich liest wie ein Drehbuch und ungewöhnliche Themen toll verbindet.
In “Heartware” wird die Geschichte von Adam Eli erzählt, nach seiner äußerst rebellischen Jugend und einigen kriminellen Abwegen hat er sich vor der Welt zurückgezogen und möchte im Prinzip nur noch seine Ruhe. Bis er eines Tages von einer mysteriösen Institution kontaktiert wird. Sie möchten ihn engagieren um seine Exfreundin zu finden. Willenja, mit der er im bolivianischen Dschungel ein Camp für schwer-erziehbare Jugendliche überlebte, hat den Prototyp einer mächtigen künstlichen Intelligenz gestohlen und ist nun auf der Flucht.
Auf der Flucht vor wem und warum, das wird erst im Verlaufe der Geschichte ganz allmählich enthüllt. Denn Willenja bleibt ein Schatten. Obwohl sie Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, ja sozusagen die Hauptfigur ist, kommt sie selbst nicht zu Wort. Die Handlung wird hingegen aus der Perspektive von Eli, einer Ermittlerin auf der Suche nach Willenja und dem rätselhaften Y erzählt. Alle fokussieren sich jedoch mehr oder weniger auf Willenja und so entsteht über diese Perspektiven das Portrait einer spannenden Protagonistin.
Der Thriller entwickelt sich zunächst eher ruhig und bedächtig, bevor er später auch eine ganze Menge Action bietet. Ich habe beides gemocht. Die bedächtigen Rückblenden hin zur Liebesgeschichte zwischen Eli und Willenja haben eine ganze eigene Magie. Sie sind romantisch ohne kitschig zu wirken und eben immer auch ein bisschen geheimnisvoll.
Aber auch die fieberhafte Suche nach Willenja, die actiongeladenen Verfolgungsjagden und Kämpfe habe ich gern gelesen. Die Autorin studierte Film an der New York University und schrieb schon mehrere Drehbücher, diese Erfahrung merkt man dem Buch wirklich an. Die Szenen sind fast filmisch ausgearbeitet und bieten mit ihrer Dynamik einen schönen Kontrast zu den eher ruhigen und nachdenklichen Stellen.
Denn tatsächlich hat “Heartware” neben wirklich guter Unterhaltung auch einige inhaltlich spannende Fragen zu bieten. Es geht darum, was eine Persönlichkeit ausmacht. Kann eine künstliche Intelligenz einen Charakter ausbilden? Was wäre dafür nötig? Wie würde sich so ein Charakter entwickeln, wovon könnte er lernen? Und würde solch ein Charakter auch Beziehungen eingehen? Leider wurden diese Themen ein wenig knapp behandelt, für mich hätten sie bei diesem Buch noch das i-Tüpfelchen gesetzt.
Trotzdem ist “Heartware” ein spannender Thriller mit einer ungewöhnlichen Kombination von Themen und Motiven. Ich habe das Buch gern gelesen und es häppchenweise, fast wie eine Serie, genossen.
“Heartware” von Jenny-Mai Nuyen, erschienen im Rowohlt Verlag, 411 Seiten, 14,99 € (Klappbroschur)
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