Rezension: Das Erwachen von Andreas Brandhorst


Was passiert, wenn künstliche Intelligenzen uns Menschen irgendwann übertrumpfen? Ich spreche nicht davon, dass Siri und Cortana jetzt schon schneller den Wetterbericht abrufen können oder ein passendes Restaurant empfehlen, als ein menschlicher Assistent das könnte. Ich meine eine richtige, lernende und sich ihrer selbst bewusste künstliche Intelligenz, die uns Menschen als Gefahr erkennt.

Genau solch ein Szenario hat Andreas Brandhorst in “Das Erwachen” entworfen. Das ist in der Science Fiction Literatur nichts so richtig Neues, das aktuelle Setting und die Umsetzung sind aber ziemlich gelungen.

Warum nur ziemlich? Weil sich das Buch sich nicht ganz entscheiden kann, was es sein möchte. Im ersten Teil ist es eine spannende, gut aufgebaute und irgendwie kluge Dystopie. Man erfährt etwas über die Entwicklung einer globalen Maschinenintelligenz, über die Unterschiede zur künstlichen Intelligenz und die Gefahren die von all dem ausgehen. Trotz der teilweise nicht unerheblichen wissenschaftlichen Einschübe ist das alles flüssig zu lesen, voll spannender Verwicklungen und irgendwie süffig. Ich mag es, wenn Autoren dieses Genres es schaffen, die Handlung glaubhaft und trotzdem “phantastisch” darzustellen und Neugier auf solche wissenschaftlichen Themen zu wecken.
Im zweiten Teil des Buches dreht sich das Buch mehr und mehr zu einem Actionthriller und hetzt aufgekratzt dem großen Showdown entgegen. Statt wissenschaftlicher Exkurse oder philosophischer Überlegungen gibt es Gewalt und Verfolgungsjagden, Feuer und Explosionen. Seufz. Das mag für die Überleitung ganz in Ordnung sein, schließlich ist das Buch als “Thriller” kategorisiert, in diesem Buch nahm es für meinen Geschmack zu viel Raum ein. Nach all dem verpufft das Ende nämlich ein wenig. Wir fiebern 200 bis 300 Seiten lang einem großen Konflikt entgegen, der dann so mir nichts, dir nichts abgefrühstückt wird. Dabei hätte man gerade an dieser Stelle der Handlung noch einmal viel Spannung mit “was wäre, wenn…”-Überlegungen aufbauen können. Schade!

Das mag auch ein wenig daher rühren, dass in der letzten Konsequenz kein so ganz neuer Weg gewählt wurde. Dadurch ist “Das Erwachen” zunächst wirklich spannend zu lesen, lässt aber den großen Aha-Effekt am Ende aber einfach vermissen und gibt darüber hinaus streckenweise den “Agententhriller-Elementen” zu viel Raum.
Zum Beispiel ist die Frage, ob eine Maschinenintelligenz uns Menschen wirklich “abschaffen” wollen könnte im Roman leider nicht so umfangreich dargestellt. Es gibt einen tollen Beitrag vom Fischblog zum Tod einer kritischen Infrastruktur: des Internets. Ob eine Maschinenintelligenz diesen Verfall allein aufhalten könnte, um sich selbst am Leben zu erhalten, wäre eine spannende Fragestellung gewesen. Zwar werden im Hinblick auf das „Überleben“ der Maschinenintelligenz Probleme wie Naturkatastrophen und Kriege kurz thematisiert, wirklich durchdacht wirken diese Aspekte aber zum Teil leider nicht.

Ein schöner Einstieg und unterhaltsamer Science-Fiction-Roman für “zwischendurch” aber keine Lektüre für absolute Geeks.

“Das Erwachen” von Andreas Brandhorst, erschienen im Piper Verlag, 736 Seiten, 16,99 € (Klappenbroschur)

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1 comment

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  1. 1
    Janna | KeJas-BlogBuch

    Eine gute Rezension die mir einen Einblick gewährt, welcher mich im zweiten Teil leider nicht anspricht. Intelligente gelungene Dystopie, da wurde ich hellhörig. Wenn es dann aber nur noch um Action – Thriller hin oder her – hauptsächlich geht, würde ich daran keine Freude haben …

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