Rezension: Rattatatam, mein Herz von Franziska Seyboldt
Die Angst ist wie einer dieser unangenehmen Gäste, die einfach nicht gehen wollen. Einer dieser Onkel fünften Grades, die obligatorisch bei jeder Familienfeier auftauchen und auch dann noch bierselig sitzen bleiben, wenn alle anderen längst gegangen sind. Die Angst ist ein unliebsamer Besucher, den wir wohl alle kennen. Aber die meisten von uns schaffen es, ihn gerade noch rechtzeitig aus dem Haus zu werfen. Bis zum nächsten Mal, komm bitte nicht wieder!
Franziska Seyboldt erzählt in “Rattatatam, mein Herz” davon wie es ist, wenn die Angst nicht mehr gehen möchte und zum dauerhaften Mitbewohner wird. Ich finde es unglaublich mutig, wie die junge Autorin von ihrem Leben mit der Angststörung erzählt. Im Buch geht sie dafür einen gewagten Weg und berichtet anekdotisch und romanhaft über ihre Erlebnisse. “Rattatatam, mein Herz” ist also definitiv kein Ratgeber oder Sachbuch, beschreibt aber gerade für Nichtbetroffene das Leben mit der Angst so unglaublich authentisch. Außerdem sind die Erfahrungen und Erkenntnisse, die Franziska Seyboldt im “Kampf” gegen ihre Angst gewonnen hat, wohl sicher auch für Betroffene wertvoll. Ihren Rat offen über die Angst zu sprechen, setzt sie durch dieses Buch eindrucksvoll in die Tat um. Es wäre schön, wenn das Anderen den Umgang mit der Angst erleichtern könnte.
Ich selbst habe zwar keine Angststörung, aber bin ein wirklich ängstlicher Mensch. Gerade in stressigen Phasen macht die Angst gern mal Urlaub bei mir, setzt sich zu mir aufs Sofa und flüstert mir die blödesten Dinge in den Kopf. Das Bild die Angst als Begleiter zu sehen, den man wegschicken kann, hat mir seltsam gutgetan. Und manchmal kaufe ich meinem inneren Kind jetzt lieber ein Eis, statt es für seine Angst zu bestrafen. Es sind diese kleinen Gedanken und Bilder, die “Rattatatam, mein Herz” so wertvoll für mich machen.
Was mir aber, neben der bewegenden Thematik, von diesem Buch vor allem im Kopf bleiben wird, ist die poetische und bildgewaltige Sprache. Ich habe das Buch verschlungen und bestimmte Kapitel mehr als einmal gelesen, so schön sind sie. Die Autorin beschreibt sich in den verrücktesten Metaphern (schon auf dem Klappentext ist sie mal Sieb, mal Schildkröte) und spricht immer wieder mit der Angst. Diese Dialoge sind witzig und geben in kurzen, knappen Sätzen so viele Gefühle wieder, wirklich toll.
Vielleicht merkt man es, ich bin in “Rattatatam, mein Herz” sehr verliebt. Ich habe selten ein Buch gelesen, dass eine so deprimierende, düstere Thematik so sprachlich schön, humorvoll und mutig verpackt. Es ist ein Buch, das wir alle gelesen haben sollten, schließlich will doch jeder wissen, wie er dem nervigen Onkel fünften Grades elegant die Tür weisen kann…
“Rattatatam, mein Herz. Vom Leben mit der Angst” von Franziska Seyboldt, erschienen im Kiepenheuer & Witsch Verlag, 256 Seiten, 18,00 € (Pappband)
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