Rezension: Dunkelsommer von Stina Jackson


“Dunkelsommer” von Stina Jackson ist wie einer dieser ARD- oder ZDF-Krimis aus den 90er Jahren. Die Bilder sind schön, die Handlung ein bisschen vorhersehbar und ständig wird geraucht*.

Düstere Helligkeit

In Nordschweden herrscht im Sommer ewiger Tag, die Sonne geht nicht unter. Doch obwohl alles gut sichtbar ist, verschwindet ein Mädchen spurlos. Das ist drei Jahre her und immer noch sucht der Vater in seiner Verzweiflung wie ein Besessener nach seiner Tochter. An jedem hellen Tag des Jahres durchstreift er abgelegene Bauernhöfe, kämpft sich durch Waldstücke, in denen lange kein Mensch mehr war, und versucht jeden zu befragen, den er fassen kann.

Die Atmosphäre von Verzweiflung, Einsamkeit, Rastlosigkeit und Abgeschiedenheit hat das Buch wirklich gut eingefangen. Trotz der immerwährenden Helligkeit wirkt alles trostlos und düster, in dieser Hinsicht macht der Name “Dunkelsommer” Sinn.
Stilistisch ist der Roman nichts besonderes, er “liest sich schnell weg”. Das kann je nach Genre und Buch ein Lob oder eine Beleidigung sein, für sommerliche Krimis finde ich es gerade recht. Die ganz große Begeisterung kann der einfache Erzählstil der Autorin bei mir aber leider einfach nicht entfachen.

Offensichtlich Versteckt

Überhaupt erweckt der Roman den Eindruck von Ideenlosigkeit. Die Figuren sind die “üblichen Verdächtigen” dieser Art von Krimi. Und auch ganz konkret: als die Figur auftaucht, die mit dem Verschwinden des Mädchens unmittelbar zu tun hat, könnte ihr Name auch mit Leuchtstift markiert worden sein. Es werden die üblichen Klischees ausgepackt. Der verstockte Einzelgänger, dieser besonders böse beziehungsweise irre Blick. Sogar die körperlichen Merkmale schreien geradezu die Schuld der Figur heraus. Das hat mich ein bisschen an die Zeit des Nationalsozialismus denken lassen, in der man anhand der Form der Augenbrauen versuchen wollte, Mörder zu erkennen.

Ich habe wirklich gehofft, dass das Finten sind, mit denen die Autorin uns aufs Glatteis führen will. Ich liebe es, wenn in Krimis so lange falsche Fährten gelegt werden, bis man vor lauter Wald die Bäume nicht mehr sieht. In diesem Fall war es leider keine clever gestrickte Ablenkung, sondern alles entwickelt sich so, wie man es dann auch schon erahnt.

Ist das Kunst oder kann das weg?

Vielleicht war es auch die Hauptfigur, mit der ich mich einfach nicht identifizieren konnte. Der Vater durchleidet den Verlust seiner Tochter schon sehr glaubhaft, reagiert aber eben wie man es vom Protagonisten eines ARD-Krimis erwartet. Er raucht zu viel, trinkt zu viel, fängt Schlägereien an und windet sich in seiner Pein.

So hat “Dunkelsommer” dann insgesamt ein doch eher schales Gefühl bei mir hinterlassen. Ein Roman, der sich leider für meinen Geschmack zu wenig von anderen Titeln dieser Art abhebt, obwohl da erzählerisch und durch die Wahl des Settings mehr drin gewesen wäre.

* Es wird wirklich ständig, von allen und in jeder Situation geraucht. Wenn jemand mal bei seiner Lektüre mitzählen könnte, würde mich die Gesamtsumme gerauchter Zigaretten wirklich interessieren. Für mich ist die Lektüre untrennbar mit dem Geruch von Zigaretten verbunden, der hat sich durch die ständigen Beschreibungen einfach in meinen Kopf gedrängt.

„Dunkelsommer“ von Stina Jackson, übersetzt von Kerstin Schöps, erschienen im Goldmann Verlag, 352 Seiten

2 Comments

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  1. 1
    Martinas Buchwelten

    Liebe Alexandra,
    ah…das tut gut! Ich dachte schon ich bin die Einzige, die keine 5 Sterne gibt weil…ich den Täter ebenfalls sofort erkannte. Mich die Längen in der Mitte langweilten und hinunterzogen und ich nicht ganz verstehen konnte, dass alles so düster beschrieben wurde, obwohl es doch im Sommer in Nordschweden fast taghell ist?!
    Die Atmosphäre hat die Autorin wirklich toll eingefangen und das Buch liest sich schnell, aber das war auch bei mir alles, was ich daran positiv fand. Der Spannungsroman ist nicht schlecht, aber als Thrillerleser war er mir einfach zu vorherhsehbar und der Protagonist zu sehr der klassiche rauchende und saufende Skandinavier! Dabei finde ich die Schweden total nett und sympathisch!
    Liebe Grüße
    Martina

    • 2
      Alexandra

      Liebe Martina,
      Danke für deinen Kommentar!

      Ich war im Hinblick auf viele sehr positive, völlig kritiklose Rezensionen auch etwas irritiert. Aber gerade wenn man ein Fan des Genres ist, kennt man doch all das, was da passiert schon längst. Das hat mich einfach nicht gepackt!
      Und ja, „ein bisschen rauchen und trinken“ ist wohl typisch… aber da? Ich wollte irgendwann nach einem Viertel anfangen die Zigaretten zu zählen und kam nicht hinterher, weil es soooo viele waren. Mir hat noch das „Sponsored by Marlboro“ gefehlt :-D Gerade in der heutigen Zeit, in der vor allem auch die nordischen Länder immer rauchfreier werden, wirkte das aus der Zeit gefallen.

      Viele Grüße,
      Alexandra

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