Rezension: Der Sprung von Simone Lappert


Eine junge Frau steht an der Dachkante eines Hauses, ein ganzer Ort schaut zu ihr nach oben. Wird sie springen? Was ist da los?! Verliert sie den Halt, auf dem Dach und im Leben?
„Der Sprung” von Simone Lappert hat mich total begeistert, obwohl ich zuerst noch gar nicht richtig wusste, was mich bei diesem Roman erwarten würde. Mit großem Witz und großer Geste erzählt sie die Geschichte einer jungen Frau, die auf einem Dach einer deutschen Kleinstadt steht. Gleichzeitig erzählt sie die Geschichten einer Reihe anderer Menschen in diesem Ort. Alle sind sie direkt oder indirekt verbunden mit diesem Sprung. Sie sind verwandt mit der Frau, gehören zu den zur Hilfe gerufenen Einsatzkräften oder profitieren davon, dass da in der Kleinstadt endlich mal was los ist. Alle bangen fast anderthalb Tage mit der jungen Frau auf dem Dach, bis sie einen Schritt tut.

Neben diesem scheinbar großen, unvergleichlichen Drama, geht es im Roman manchmal nur um die gewöhnliche, kleine Einsamkeit der Figuren. Es geht um aufgegebene Träume, symbolisiert durch ein flackerndes Neon-Schild, um Zukunftspläne, weit entfernt und berührend unkonkret. Ich hätte jede einzelne dieser Geschichten noch ewig verfolgen können. Denn irgendwie sind mir die Figuren aller Erzählstränge so ans Herz gewachsen. Immer wenn die Autorin die Perspektive wechselt und wieder für kurze Zeit bei einer anderen Figur “vorbeischaut” war ich kurz traurig, eine alte Geschichte verlassen zu müssen. Und dann genau so begeistert endlich zu erfahren, wie es mit der anderen nun weiter geht.

Man spürt, dass es nicht immer der titelgebende große “Sprung” sein muss, denn auch in den alltäglichen Kämpfen und Verlusten der Protagonisten liegt jede Menge Drama. Die Autorin hat es perfekt geschafft diese verschiedenen Ebenen der Dramatik nebeneinander zu stellen und unglaublich stimmig miteinander zu verbinden. Ich wüsste zu gern, wie es mit der alternden Ladenbesitzerin weiter geht und ob der Obdachlose Fuß fassen kann.

Auch wenn das jetzt vielleicht nach sehr viel “Drama” (jaja, ich hab das ein paar mal erwähnt) klingt, liest sich dieser Roman wunderbar unterhaltsam. Die einzelnen Abschnitten sprühen vor Witz und kleinsten Details. Man spürt, dass da viel Arbeit in die Entwicklung glaubhafter Charaktere gesteckt wurde und das ist gelungen.
Alle Protagonisten für sich wirken witzig und besonders, dabei gleichzeitig altbekannt und alltäglich. Solchen Menschen sind wir schon tausendfach begegnet. Dadurch wirken die Charaktere ein bisschen wie Karikaturen ihrer selbst und doch liebenswert einmalig.

Im Buch geht es ums Loslassen und den nächsten Schritt, über sich hinaus wachsen oder verlorene Kämpfe begraben geben. Für mich ein echt überraschendes Highlight, das ich gern Leser*innen jedes Alters und jedes Interessengebietes empfehlen möchte. Ein Buch, dass sich durch die kleinen Häppchen für zwischendurch genau so eignet, wie für einen einzigen langen Lesemarathon.

 

„Der Sprung“ von Simone Lappert, erschienen im Diogenes Verlag, 332 Seiten

2 Comments

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  1. 1
    Janka

    Hey Alexandra :)

    Ich bin eigentlich in einem etwas anderen Genre unterwegs, aber nach deiner Rezension glaube ich, dass das eigentlich ein Buch nach meinem Geschmack ist. Ich mag liebevoll ausgearbeitete Charaktere und wenn der Fokus auf den Kleinigkeiten liegt, den „alltäglichen“ Dramen (nicht, dass ein Mensch auf einem Dach alltäglich wäre, ich hoffe, du verstehst was ich meine :)).

    Ich schreibe mir das Buch auf jeden Fall auf meine Liste. Das muss ich mal lesen!

    Danke für die Rezi und liebe Grüße,
    Jan(k)a

    • 2
      Alexandra

      Ich weiß total was du meinst! Und so ist es auch gedacht :) Da gibt es einfach so eine Fülle an Figuren und mit wenigen Sätzen werden ihre Lebenswege gezeichnet (die Kioskbesitzer, das dicke Mädchen, welches so besonders talentiert zum Comiczeichnen ist <3) an diesen Details merke ich für mich immer, dass obwohl einige gängige Figuren aufkommen es einfach keine Abziehbilder sind.

      Es würde mich freuen, wenn dir das Buch auch so viel Spaß macht wie mir!
      Viele liebe Grüße
      Alexandra

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