Rezension: Die Unglückseligen von Thea Dorn
Schon in meinem Lieblingsspruch “so many books, so little time” steckt das Dilemma der Sterblichkeit: (Lese)Zeit ist kostbar, denn sie ist begrenzt. Das ist jetzt so weit nicht neu, beschäftigt die Menschen jedoch schon seit Anbeginn der Zeit. Manche wollen mit krankhaftem Gesundheitswahn Gevatter Tod noch ein paar zusätzliche Jährchen abringen, manche gehen ganz andere Wege…
“Die Unglückseligen” von Thea Dorn
Knaus Verlag
560 Seiten
24,99 € (Hardcover) oder 19,99 € (eBook)
Betrachtet man das Altern als Krankheit, so ist es eine Krankheit mit verheerender Bilanz: Eine Krankheit mit einer Erkrankungsrate von 100% und einer langfristigen Morbidität von ebenfalls 100%. Kurz gesagt: früher oder später erwischt’s uns alle.
Für Dr. Johanna Mewet gibt es nichts wichtigeres, als dieser widersinnigen und trostlosen Spirale zu entfliehen. Die Molekularbiologin möchte ein Rezept gegen das Altern entwickeln. Wie passend, dass sie an der Supermarktkasse ausgerechnet Johann Wilhelm Ritter in die Arme läuft; Physiker, geboren im Jahr 1776 und höchst lebendig. Das Zusammentreffen dieser beiden (äußerst unterschiedlichen) Charaktere bringt Ereignisse in Gang, die irgendwo zwischen modernster Gentechnik und Fauststoff liegen.
Diese wilde Mischung aus aktuellen, wissenschaftlichen Themen und klassischem Kammerstück hat mich wirklich begeistert. Anfangs war es durchaus ein Ringen, die Geschichte gibt sich nicht kampflos hin, hat man sich jedoch erst einmal in den eigenwilligen Erzählton und die absurden Entwicklungen eingelesen, will man immer mehr.
Die Vielfalt die sprachlich und erzählerisch geboten wird, sucht wirklich ihres Gleichen. Im Großen und Ganzen wechseln nur zwei Perspektiven ab: die moderne, wissenschaftliche Sicht von Johanna steht im Kontrast zur klassischen, gottesorientierten Weltsicht Ritters. Neben diesen beiden Polen gibt es jedoch noch eine markante dritte Stimme: der Teufel kommt höchstselbst zu Wort.
Die Abschnitte Ritters und des Teufels wirken recht verschlungen, wie aus einem alten Drama entnommen und zum Teil in Reimform gehalten. Der Teufel ist zudem mehr kommentierende Stimme, bringt Denkanstöße und neue Sichtweisen. Die Handlung bewegt sich nur in den Abschnitten Johannas und Ritters voran. Als wäre all das nicht genug, wird es noch ergänzt durch Einschübe in Form eines Theaterstückes, Beobachtungen einer Fledermaus und Auszüge aus Ritters Buch.
Diese Vielfalt kann wohl schnell als „zu viel“ empfunden werden. Mir hat sie wunderbar gefallen. Allgemein glaube ich, dass „Die Unglückseligen“ die Leser schnell in absolute Begeisterung und absolute Abneigung aufspaltet.
Die Handlung regt zum Denken an über (Un)Sterblichkeit, Lebensziele und die (engen) Grenzen der menschlichen Einsicht. Im Verlauf der Handlung werden die Grenzen der Logik mehrmals gedehnt, zum Teil gesprengt. Für mich las sich all das, wie ein irrer Fiebertraum einer ambitionierten Biologin. Insgesamt ergibt Thematik und Handlung (für mich) jedoch ein stimmiges und beeindruckendes Bild.
Für mich ein Buch, dass definitiv im Kopf bleibt, zum Nachdenken anregt und ein besonderes Gefühl hinterlässt, 5 von 5 Leseratten dafür. Nie war der Tapetenspruch „Carpe diem!“ so passend wie nach der Lektüre dieses Buches.
Das Buch in einem Tweet:
Nie war der Tapetenspruch „Carpe diem!“ so passend wie nach der Lektüre von „Die Unglückseligen“. @KnausVerlag
— Read Pack (@ReadPackBlog) 8. April 2016
Andere Blogger:
„Die Unglückseligen ist gewollt unbequem und nötigt mir allein schon deshalb einen gewissen Respekt ab.“
– Michael von Influenza Bookosa“…eine solch vielschichtige Erzählweise ist mir bisher selten über den Weg gelaufen.”
– Antonie von Lesewahn
Die Handlung klingt recht wirr, aber das Thema dahinter finde ich sehr interessant und spannend. Bislang habe ich nümich noch nicht herangetraut, aber nach Deiner positiven Rezension, werde ich es mir noch einmal überlegen.
[…] The Read Pack und Marina von literaturleuchtet haben dieses Buch bereits gelesen. […]