Rezension: Was das Leben kostet von Deborah Levy


In “Was das Leben kostet” geht es um die Umbrüche eines Lebens. Nach 20 Jahren trennt sich Deborah Levy von ihrem Ehemann, ihre Mutter liegt im Sterben und die älteste Tochter zieht aus, um zu Studieren.

Mit knapp 50 Jahren verändert sich ihr Leben von Grund auf. Wird nicht gemütlicher und berechenbarer, sondern rastlos und unplanbar.
Sie schreibt davon wie viel Zeit und Mühe es kostet das Heim einer Familie zu errichten. Sowohl die dafür notwendige Hausarbeit als auch die mentale Arbeit bleibt häufig an den “Frauen-und-Müttern” hängen. Wer hat wann welche Termine? Wann erwarten wir Gäste? Braucht das Kind schon wieder neue Schuhe?
Dann wird diese Zeit plötzlich frei, die neu gewonnene Freiheit zugleich Genuss und Last.

“Freiheit ist nie umsonst. Wer je um Freiheit gerungen hat, weiß, was sie kostet.”

Die einzelnen Kapitel lesen sich wie Fragmente aus einem Tagebuch oder Gespräch. Ein bisschen ziellos, gleichzeitig in der Gegenwart und Vergangenheit verankert. Wehmütig und traurig, aber immer wieder durchzogen von überraschenden Momenten des Humors. Das Buch wirkt autobiografisch, aber ohne sich in Details zu verlieren.

Immer wieder sind Abschnitte darüber enthalten, wer die Hauptfiguren und Nebenfiguren unseres Lebens sind. Wie Männer ganz allgemein und auch im speziellen eher davon ausgehen, zu den Hauptfiguren zu gehören. In jeder Geschichte.

“Er war gar nicht auf die Idee gekommen, dass sie sich nicht für die Nebenfigur und ihn für die Hauptfigur halten könnte.”

Aber auch die Frage, wer die Hauptfiguren im eigenen Leben sind, stellt sich wiederholt. Ein spannender Gedanke, der mich bis jetzt nicht losgelassen hat.

Daraus ergeben sich dann auch Gedanken zur Weiblichkeit. Was wird von ihr verlangt zu leisten und zu verbergen? Darf eine Frau mehr verdienen als ihr Partner? Mehr leisten, mehr sein? Deborah Levy sinniert darüber wie und warum beide in einer heterosexuellen Ehe so oft alles dafür tun, um eine Lüge aufrecht zu erhalten, die einem Mann hilft sein Gesicht zu wahren.

“Die Frau ist heiter, und sie erträgt. Ja, sie ist derart begabt im Ertragen und Leiden, dass diese Eigenschaften sogar die Protagonisten ihrer Geschichte sein könnten.”

Ich habe “Was das Leben kostet” an einem trägen Sommernachmittag auf meinem Liegestuhl gelesen und kann sagen, dass das die perfekte Umgebung für das Buch ist. Ich konnte immer wieder in die Wolken schauen und abwechselnd den eigenen Gedanken und denen der Autorin nachhängen. Außerdem hilft das helle Sonnenlicht die leicht wehmütige Schwere, die teils in den Texten durchscheint, auszugleichen.

Insgesamt ist es ja auch eine kraftvolle Lektüre. Erzählt sie doch zum Beispiel vom Mythos der Medusa – einer mächtigen Frau, die den männlichen Blicken nicht ausweicht, sondern sie erwidert. Eine Frau, die als unmittelbare Kraft und Bedrohung wahrgenommen wird. So sehr, dass Medusa enthauptet wird, um die männliche Vorherrschaft zu sichern.

Ich habe es als Aufforderung gelesen die üblichen Geschlechterrollen zu überdenken und sich ihnen nicht noch länger zu beugen. Viel zu lang schleichen die überholten Konzepte schon durch unsere Gesellschaft.

“Klar war, dass Weiblichkeit, von Männern geschrieben und von Frauen inszeniert, das ausgelaugte Phantom war, das auch noch durch das frühe 21. Jahrhundert spukte.”

Eine spannende Lektüre, die zum Nachdenken anregt, kurzweilig ist und sprachlich wunderschön. Manchmal verfängt sie sich in biografischen Elementen, ohne diese wirklich einzuordnen. Das ganze geschieht jedoch eher Skizzenhaft. Eine Abwechslung in meinem literarischen Alltag und gute Lektüre für Zwischendurch, für diese Momente wenn der Kopf zu voll ist um einen großen Epos zu lesen, aber auch Futter braucht.

 

„Was das Leben kostet“ von Deborah Levy, übersetzt von Barbara Schaden, erschienen im Hoffmann und Campe Verlag, 160 Seiten

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