Rezension: Meine Schwester, die Serienmörderin von Oyinkan Braithwaite


TW: Blut

Der Titel deutet schon an, was uns erwartet: in “Meine Schwester, die Serienmörderin” von Oyinkan Braithwaite berichtet Korede von den Eskapaden ihrer mörderischen Schwester Ayoola.
Die beiden Frauen sind so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Spannend dabei ist aber, dass diese kontrastreiche Darstellung durch die extrem subjektive Erzählperspektive verstärkt wird oder sogar erst entsteht. Ein wirklich interessanter Effekt.
Aus Koredes Perspektive wird ihr Leben (langweilig, anstrengend) und das ihrer Schwester Ayoola (glamourös, unstet, teilweise unverschämt) beschrieben. So schnell wie Ayoola Männer um ihre schlanken Finger wickelt, so schnell wird sie ihrer überdrüssig.

„Es ist mir ein Rätsel, zu wie viel Gefühl Ayoola überhaupt fähig ist.“

Und wenn es dann zu kleinen mörderischen Missgeschicken kommen, muss Korede ihrer Schwester unter die Arme greifen, um die Spuren zu beseitigen.

Who runs the world?

Einerseits wirkt diese Dynamik vielleicht ein bisschen konstruiert, andererseits habe ich es dadurch aber stark als Geschichte weiblicher Solidarität gelesen. Diese ist schließlich besonders wichtig.

Die Männer kommen nämlich nicht gut weg in diesem Roman. Sie sind Unterdrücker, Widersacher und Opfer. Sie gängeln, bedrängen, sind gewalttätig oder müssen (ganz im Gegensatz) beschützt werden. So wird in vielen Facetten von männlicher Macht und Gewalt gesprochen. Gleichzeitig zeichnet die Autorin aber Frauenfiguren, die sich widersetzen. Ein starker, cooler Roman, der feministisch und trotzdem unterhaltsam ist.

Oft bleiben vor allem Ayoolas Beweggründe unklar, sie wird zum Klischee (die verzogene, selbstverliebte Instagram-Queen) und ist doch genau richtig, verteidigt ihre Freiheit mit Zähnen und Klauen. Wie eingangs beschrieben liegt in dieser Überzeichnung und der “extremen” Darstellung genau der Reiz des Romans. Apropos Reiz: als besonders reizlos beschreibt Korede sich selbst und ihre Arbeit als Oberschwester im Krankenhaus. Doch trotzdem lernen wir sie in der Geschichte vor allem als integere, unabhängige Frauenfigur kennen und damit ebenfalls als Vorbild.

Girls!

Stilstisch hat mich das Buch absolut gefesselt. Ohne unnötigen Schnickschnack, klar, hart. Kurze Kapitel, überschrieben mit einzelnen Worten „Messer“, „Blut“, „Instagram“. Sofort zu sehen, was beim Lesen zu erwarten ist. Scharf beobachtete Szenen und ein bitterböser Humor. “Meine Schwester, die Serienmörderin” liest sich im besten Sinne leicht, ist dabei aber nicht langweilig oder belanglos. Es hat mich aus einer absoluten Leseflaute gerissen, weil es diesen „nur noch ein kleines Kapitel“-Effekt absolut perfektioniert.

Ohne es zu wissen habe ich in dieser Geschichte außerdem eine literarische Reise nach Lagos unternommen. Die Besonderheiten der nigerianischen Hauptstadt werden dabei immer nur ganz leise in die Geschichte eingewoben, tragen aber dennoch zur Atmosphäre bei. Die Stadt ist voll Gewalt und Korruption, schnelllebig und modern, wirkt absolut nahbar.

Insgesamt ein Buch, das mich völlig überraschend total begeistert hat. Gut für Zwischendurch, weil diesem Sog kaum zu entkommen ist. Genauso gut aber fürs langsam verweilende Lesen, weil es dafür viel Stoff hergibt.

„Meine Schwester, die Serienmörderin“ von Oyinkan Braithwaite, übersetzt von Yasemin Dincer, erschienen im Aufbau Verlag, 236 Seiten

1 comment

Add yours
  1. 1
    Konstanze

    Das klingt interessant! Und da es in der Bibliothek vorhanden ist, habe ich es mir da mal auf die Merkliste gesetzt! (Jetzt müsste nur unsere Zweigstelle wieder öffnen – oder ich mich mal dazu aufraffen, das mit dem Vorbestellen und der Terminvergabe mal anzuleiern …)

+ Leave a Comment