Mord am Bloomsday


An “Ulysses” bin ich gescheitert. Es war eines der literarischen Großvorhaben, die ich verfolgte bevor dieser Blog entstand. Trotzdem (oder gerade deshalb) habe ich eine gewisse Verbindung zu James Joyce und diesem absurd komplizierten Buch. Außerdem ist der 16.06., der Tag, an dem Leopold Bloom durch Dublin wandelt, mein Hochzeitstag. Also feiere ich jedes Jahr ein bisschen den Bloomsday und ein bisschen die Liebe.

In diesem Jahr habe ich meinen Bloomsday mit “Der James Joyce-Mord” von Amanda Cross verbracht. Der zweite Band aus der Reihe um die Detektivin Kate Fansler versprach mir eine weibliche, feministische Detektivin (yippie!), die mit Hilfe von Literatur ihre Fälle löst (doppel-yippie!).

Worum geht’s?

Kate Fansler ist Literaturprofessorin und Ermittlerin wider Willen. Vor der Hitze aus New York geflohen, möchte sie den Sommer in der Idylle Berkshires verbringen. Sie soll die Briefe aus dem Nachlass von James Joyce’ Verleger ordnen und verbindet das Angenehme mit dem Nützlichen. Doch die ländliche Ruhe wird jäh gestört, als plötzlich die anstrengende Nachbarin tot im Garten gefunden wird und Kate Fansler in Verdacht gerät. Also macht sich Kate selbst auf die Suche nach dem wahren Täter… oder der wahren Täterin.

Eine feministische Heldin?

Aus heutiger Perspektive liest sich Amanda Cross’ Roman ehrlich gesagt nicht unheimlich feministisch. Dabei muss man jedoch beachten, dass “Der James Joyce-Mord” (in der ersten Übersetzung noch “In besten Kreisen”) erstmals bereits im Jahr 1967 erschien. Für damalige Verhältnisse ist Kate Fansler vielleicht wirklich ungewöhnlich emanzipiert. Sie ist alleinstehend und erwehrt sich erfolgreich der Heiratsanträge ihres Partners. Sie und auch andere weibliche Figuren im Buch, leben nicht für eine Familie und Kinder, sondern für ihren Beruf beziehungsweise ihre Berufung: die Literatur.

Trotzdem gibt es eben diese Punkte, die aus heutiger Sicht irritieren. Soll doch eigentlich Kate Fansler die Heldin des Romans sein, benötigt sie überraschend häufig männliche Rettung. Ihr Partner muss bei der Steuererklärung helfen (S. 27), regelt die juristischen Fragen des Kriminalfalles mit einem Anwalt und scheint zeitweise mehr zu ermitteln als die “Detektivin” selbst.
Auch dass über homosexuelle Männer an einer Stelle sehr negativ gesprochen wird, fand ich aus heutiger Perspektive unpassend. Intersektional cool ist der Roman damit noch nicht, da sollte man also definitiv nicht zu viel erwarten.

Eine große Portion Landhausromantik?

Dieser Aspekt wird voll erfüllt. Obwohl der Roman ja eigentlich im New Yorker Umland spielt, fühlte sich das alles sehr nach britischer Landhausidylle an. Die feine Gesellschaft der Wochenendgäste aus der Stadt, die urigen Landwirte und eben die schließlich ermordete Nachbarin erfüllen so brav alle Klischees, dass es irgendwie einfach Spaß macht.

Auch die Bezüge zur Literatur (und eben speziell zu James Joyce und seinen Romanen) kommen nicht zu kurz und sorgen für nostalgische Stimmung. Zudem hat mir der immer mal durchscheinende Humor im Text wirklich gut gefallen. Die Figuren weisen zum Beispiel selbstironisch darauf hin, dass in einem “echten” Kriminalroman doch sicher viel mehr passieren müsse, sie selbst würden ja ständig nur Spazierengehen. Ganz unrecht haben sie damit nicht, langweilig wird es trotzdem nicht und sprachlich ist der Roman auch wirklich unterhaltsam verfasst.

“Kriegst du einen Schlag in die Magengrube, dann folgt dem wahrscheinlich ein Kinnhaken.”

“Der James Joyce-Mord” ist also vielleicht eine spannende und unterhaltsame Abwechslung für James Joyce-Fans, aber kein echtes Krimi-Highlight und natürlich auch kein feministisches Feuerwerk.

 

„Der James Joyce-Mord“ von Amanda Cross, übersetzt von Monika Blaich und Klaus Kamberger, erschienen im Dörlemann Verlag, 288 Seiten. Werbung: Wenn du mich unterstützen möchtest, kannst du das Buch (oder beliebige andere) über meine Partner genialokal, Hugendubel, Bücher.de kaufen. Folge dafür einfach den Links, Danke!

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