Ende in Sicht


Ist das eigentlich schon ein eigenes Genre? Ich meine Bücher, in deren Verlauf eine ältere zunächst grummelige und dann doch super liebenswerte Figur und eine junge, erst patzige aber dann doch ebenso liebenswerte Figur eine „ungewöhnliche Freundschaft“ schließen? Das findet man auch gern in Verbindung mit Roadtrips. Dieses gemeinsam auf einer Reise sein, scheint irgendwas mit diesen Figuren zu machen und Zack: Herzenswärme, Zuneigung, eine tiefe Verbindung über die Generationen hinweg. Hach.

Ebenso häufig gibt es Bücher über eine „letzte Reise“. Da werden Urnen hin und her gefahren oder Menschen zur Sterbehilfe begleitet. Bei „Ende in Sicht“ von Ronja von Rönne gehen diese beiden Genres nun eine Verbindung ein. Ich glaub auch in dieser Kombination hab ich das schon mal gelesen, aber ich komme gerade nicht drauf. Naja, es ist auch gar nicht alles so schlecht wie das hier gerade klingt. Ganz und gar nicht. Aber es fühlt sich leider ein bisschen ideenlos an.

Besonders an „Ende in Sicht“ ist lediglich die Ausgangssituation, dass sowohl Hella (die Ältere) als auch Juli (die Jüngere) sterben wollen. Die eine ist in ihrem alten VW Passat auf dem Weg in die Schweiz zur Sterbehilfe, die andere kracht ihr von einer Autobahnbrücke quasi vor das Auto. Juli überlebt und Hella packt sie kurzerhand ein, los geht der besagte Roadtrip. Statt zu ihrem eigentlich „ersehnten“ Lebensende finden beide Figuren zurück ins Leben.

Ich mag den Aufbau der älteren Figur in der Geschichte. Hella ist ein ehemaliges Popsternchen, das nun nicht mehr von Fans sondern höchstens noch von Gerichtsvollziehern umjubelt wird. Sie hat weder Familie noch nähere Freundschaften und beschließt nicht mehr auf ihren Tod zu warten, sondern selbst aktiv zu werden. Sie scheint zunächst glaubhaft abweisend und verantwortungslos genug, um nicht das „gütige ältere Frau“-Klischee zu erfüllen. Leider hält die Autorin diese pampige Attitüde der älteren nicht ganz bis zum Ende durch. Witzig ist sie trotzdem.

Aber insgesamt ist das irgendwie literarisches Fastfood: es macht Spaß, liest sich unkompliziert und „schmeckt“. Aber es macht einfach nicht lang satt, davon bleibt nicht viel zurück.

Versteht mich bitte nicht falsch, die angesprochenen Themen sind super wichtig. Depression, Einsamkeit, Altern beschäftigen so viele von uns. Aber sie werden für meinen Geschmack leider mit zu wenig Substanz angegangen. Vielleicht ist der Roman ein guter Einstieg, wenn einem diese Themen zu wuchtig erscheinen und die Angst davor überwiegt. Aber sonst ist es leider nichts, was man nicht irgendwo schon eindrücklicher gelesen hätte. Ein bisschen schön, ein bisschen schade.

 

„Ende in Sicht“ von Ronja von Rönne, erschienen im dtv Verlag, 256 Seiten. Werbung: Wenn du mich unterstützen möchtest, kannst du das Buch (oder beliebige andere) über meine Partner genialokal, Hugendubel, Bücher.de kaufen.

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