Wie wir die Welt sehen


Die Augen nicht vor der Realität zu verschließen und doch nicht an ihr zu verzweifeln. Das scheint manchmal eine Mammutaufgabe zu sein. Aber ich kann und will nicht nach der Vogel-Strauß-Taktik meinen Kopf in den Sand stecken, um nichts mehr mitzubekommen. 

Nachrichten sind mir wichtig, ihre Einordnung jedoch zum Teil gar nicht so einfach. Es sind ja auch längst nicht mehr nur die Tageszeitung und die Abendnachrichten. Ob auf Twitter und Instagram oder als Pushmitteilungen verschiedener Nachrichtenportale, im Alltag prasseln ständig Nachrichten auf uns ein. 

Also habe ich, vom Gefühl der Macht- und Hilflosigkeit durch die aktuell furchtbare Nachrichtenlage überwältigt, „Wie wir die Welt sehen“ von Ronja Wurmb-Seibel gekauft. Dennoch war ich sehr skeptisch. Der Untertitel suggeriert, dass es darum geht uns (!) von schlechten Nachrichten zu befreien. Aber Kriege und Krisen hören ja nicht auf, wenn wir wegschauen. Egal ob es um die Corona-Pandemie, die Klimakrise, rechte Anschläge oder den Krieg in der Ukraine geht, es ist wichtig Entwicklungen zu verstehen. Es ist wichtig gegen sie anzugehen!

Zum Glück hat @pinkfisch_royal das Buch kurz vor mir gelesen und mich ermutigt trotz meiner Bedenken weiter zu lesen. Und diese Rolle möchte ich jetzt bei meinen Leser*innen einnehmen. 

Einer der ersten Sätze des Buches zielt direkt darauf ab, dass die Autorin seit vielen Jahren „keine Nachrichten mehr liest“. Im Buch wird diese Aussage allerdings später noch relativiert: Ziel ist es nicht, nicht mehr informiert zu sein, sondern gezielt Medien zu konsumieren, die konstruktiven Journalismus betreiben. Es geht also eher um einen gesunden Umgang mit Nachrichten und nicht die Flucht vor ihnen. 

Sich lieber tiefer in die Ursachen und Lösungen einer Krise einarbeiten, als ins Doomscrolling zu verfallen und eine furchtbare Überschrift nach der anderen zu lesen. 

Natürlich sind uns einige Dinge eigentlich längst selbst bewusst: dass man sich schlecht fühlt, wenn man den ganzen Tag negative Nachrichten konsumiert, ist keine Überraschung. Die Abgrenzung, dass die Lösung nicht darin liegt nur noch Positives zu konsumieren, sondern Nachrichten mit Perspektiven heranzuziehen, hat mir in diesem Moment jedoch gut getan.

Laut der Autorin sollten wir Nachrichten von Journalist*innen verfolgen, die einen Schritt in die Zukunft denken. Jene, die auch die Frage stellen, wie wir bestimmte Krisen wieder überwinden können.

Denn die Verzweiflung in der wir uns im Hinblick auf furchtbare Nachrichten (es geht dabei NICHT um die Verzweiflung Betroffener) manchmal wähnen, ist nicht hilfreich. Sie macht uns passiv.

„Verzweiflung ist unrealistisch. Und ehrlich gesagt auch etwas bequem. Wenn sowieso alles den Bach runtergeht, warum sollten wir uns dann überhaupt noch darum bemühen, dass sich die Dinge ändern?“

Auch auf lange Sicht ist diese gefühlte Machtlosigkeit schädlich. Sie fördert Politikverdrossenheit und hindert uns daran im Rahmen unserer Möglichkeiten Dinge in die Hand zu nehmen.

„Wie wir die Welt sehen“ erzählt davon, warum konstruktiver Journalismus uns gesellschaftlich weiter bringen kann. Warum durch einseitige Berichterstattung Klischees und Vorurteile gefestigt werden. Warum wir mit einer falschen Balance unser Bild der Realität negativ verzerren. 

Und es erzählt davon, wie wir vielleicht aus der Scheiße wieder raus kommen. Denn „💩 + X = 😊“. Wir müssen uns nur noch auf die Suche nach dem X machen. Mögliche, sehr konkrete, Methoden dafür werden im Buch behandelt. Dadurch werden wir natürlich nicht im Alleingang große Krisen lösen. Aber wir fühlen uns etwas besser gewappnet gegen die Übermacht negativer Nachrichten, können uns aus unserer Schockstarre lösen und los gehen.

Meinen von den vielen Nachrichten überhitzten Kopf hat das Buch mit diesem Anstoß tatsächlich etwas herunter kühlen können. Ich frage mich wieder häufiger: „Was jetzt?“

 

„Wie wir die Welt sehen? – Was negative Nachrichten mit unserem Denken machen und wie wir uns davon befreien“ von Anja von Wurmb-Seibel, erschienen im Kösel Verlag, 240 Seiten. Werbung: Wenn du mich unterstützen möchtest, kannst du das Buch (oder beliebige andere) über meine Partner genialokal, Hugendubel, Bücher.de kaufen.

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