Rezension: Lady Bag von Liza Cody


Über „Lady Bag“ habe ich bisher nur Gutes gehört und mich voll Vorfreude in die Lektüre gestürzt: die Thematik ist ungewöhnlich für einen Krimi und auf London als Setting habe ich mich auch sehr gefreut. Die anfängliche Vorfreude wurde leider später nicht bewahrheitet.

lady_bag„Lady Bag“ von Liza Cody
Culture Books
320 Seiten
12,99 € (ebook)

Sie sind die namenlosen Geister der Großstädte: obdachlose Männer und Frauen, die auf der Suche nach etwas Unterstützung durch die Innenstädte gehen oder mit ihrer Habe an stillen Plätzen zur Ruhe kommen. Um solch eine „Bag Lady“ geht es in diesem Roman. Die namenlose Protagonistin streift gemeinsam mit ihrem Hund durch London, schlägt sich mit Bettelei durch und lebt nur für den kleinen Rausch des Rotweins. Als sie den „Teufel“ trifft und später unvermittelt in den Schauplatz eines Verbrechens hereinstolpert, ist sie plötzlich Teil eines verwirrenden Kriminalfalles.

Ich bin vermutlich mit völlig falschen Erwartungen an „Lady Bag“ herangegangen, dachte ich doch, dass es sich hier um einen echten Kriminalroman handelt und die obdachlose Bag Lady Teil der Ermittlungen wird. Auf spannende Verwicklungen und einen ausgefeilten Kriminalfall wartet man allerdings in „Lady Bag“ vergeblich. Zwar gerät unsere Protagonistin in das Umfeld eines noch ungelösten Kriminalfalles, doch entwickelt sich daraus kein wirklicher Ermittlerkrimi. Vielmehr begleiten wir ihren Weg auf der Flucht vor der Polizei und dem „Teufel“, ihrem betrügerischen Exmann. Verwirrend ist der Kriminalfall dabei nur, weil die Geschichte aus der Perspektive der Bag Lady erzählt wird und sich die Schilderungen manchmal in Abschweifungen verlieren, aber auch der Bezug zu anderen Charakteren nur wirklich schwach hergestellt wird. Alle Figuren, selbst der häufig erwähnte „Teufel“ bleiben blass, die Schilderungen wirken wirr und ein wenig zusammenhangslos.
Diese Art der Darstellung passt zum mentalen Zustand der Protagonistin und zur ständigen Suche nach dem Rausch (in Alkohol oder Tabletten), nach Kriminalroman fühlt sich das nicht an. Eher ist „Lady Bag“ eine Erzählung von den Straßen Londons. Es wird versucht ein möglichst authentischer Blick auf die obdachlose Hauptfigur zu bieten, leider erschienen mir die Schilderungen doch recht klischeebeladen und eintönig. Wirklich alles im Leben der handelnden Figuren dreht sich um Alkohol oder Tabletten, der nächste Rausch scheint damit auch schon der Höhepunkt der Handlung. Vielleicht ist es einfach wirklich die Realität, aber mir erschien die Reduzierung der Obdachlosen auf Alkohol- und Drogensüchte unangemessen und traurig.
Diese Konstellation aus wirrer Erzählweise und zum Teil sehr zäh entwickelter Handlung hat bei mir die Freude an diesem Buch sehr gedämpft. Zum Teil war ich einfach irritiert und genervt, wusste nicht mehr wo der Bezug zum geschilderten Verbrechen oder auch nur Lady Bag’s Lebensgeschichte zu finden ist. Wer eher auf eine Erzählung mit einer ungewöhnlichen Perspektive und Thematik hofft, als auf einen Krimi wird hier wesentlich besser bedient sein als ich.
Zum Teil schimmerte in einigen Passagen mehr zur Geschichte unserer Protagonistin durch: dass sie unverschuldet aus einem gutsituierten Leben auf die Straße geriet. Diese Aspekte der Geschichte hätten mich noch viel mehr interessiert und haben mich mit meinen Kritikpunkten des Buches ein Stück weit versöhnt. Es hätte gern mehr davon sein dürfen.
Ich halte „Lady Bag“ nicht für ein schlechtes Buch, aber es ist eine Erzählung, die meinen Geschmack nur zum Teil treffen konnte und bei mir zudem leider auf falsche Erwartungen traf.

Das Buch in einem Tweet:  „Lady Bag“ ist mehr Roman denn Krimi. Es geht still und etwas verwirrend zu, dafür ist die Thematik außergewöhnlich und das Setting spannend.

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