Rezension: Agathas Alibi von Andrew Wilson
Wer die Bücher von Agatha Christie und (wie ich) True-Crime-Stories mag, wird dieses Buch lieben! Natürlich ist “Agathas Alibi” nicht ganz “true” Crime, aber die beste Verstrickung von Fiktion und realem Geschehen, die ich seit langem gelesen habe.
Um was geht es? Im Dezember 1926 verschwand die berühmte Autorin spurlos, elf Tage lang wurde sie unter riesigem Polizeiaufgebot und dem Einsatz tausender freiwilliger Helfer erfolglos gesucht… bis sie schließlich in einem Hotel in Harrogate völlig wohlbehalten entdeckt wurde. Agatha Christie behauptete später an einer Amnesie zu leiden und sich an nichts zu erinnern. Was also genau in diesen elf verlorenen Tagen passierte, blieb unklar.
Obwohl Andrew Wilson sich beeindruckend genau an die historischen Details dieses Falls hält, entspinnt er gleichzeitig einen echten Krimi. Er füllt die Lücken zwischen den bekannten Geschehnissen mit einer Handlung, die perfekt zu Agatha Christie passt, schlüssig ist und trotzdem verrückt und neu daherkommt.
Das die Geschichte aus der Perspektive von Agatha Christie erzählt wird, hat mich zunächst skeptisch gemacht. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ihre erzählende Stimme authentisch wirken würde. Doch genau das tut sie. Andrew Wilson kupfert keineswegs den Schreibstil von Agatha Christie ab, hält sich in Wortwahl und Argumentationen aber toll an die Autorin und ihre Zeit. Der dadurch entstehende ruhige und teils fast sachliche Ton der Geschichte, hat in meinen Augen perfekt zur Handlung gepasst.
Spannend wird es trotzdem, denn was Agatha alles in der verschollenen Zeit erlebt ist nicht nur unterhaltsam, sondern auch kriminell. Sehr schön und passend werden dabei zudem ihre eigenen Bücher eingewoben. Nicht altklug und nach dem Motto “schaut nur, wie viele Details ich unterbringen kann” sondern als angenehm in die Handlung verstrickte Hinweise und Gedanken der erzählenden Stimme über “ihre Bücher”. Der spekulative Charakter der Geschichte wird ganz nebenbei auch immer wieder durch die Phantasien und Grübeleien der Hauptfigur unterstrichen. Manchmal meint man in den Gedanken einer Krimiautorin zu lesen, die in allem eine nächste Geschichte wittert.
“Agathas Alibi” von Andrew Wilson, übersetzt von Michael Mundhenk, erschienen im Piper Verlag, 380 Seiten, 20,00 € (Hardcover)
Das klingt ja echt gut. Eigentlich habe ich dem Krimilesen abgeschworen, aber da könnte ich ’ne Ausnahme machen.